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CD - René Jacobs dirigiert Bachs Johannes-Passion

Die Johannes-Passion ist trotz vieler Momente des Innehaltens, der meditativen Choräle und einiger kontemplativer Arien ganz sicher die dramatischere der beiden erhaltenen Passionsvertonungen von Johann Sebastian Bach. Mit beklemmender Stringenz treibt Bach die Erzählung der Leidensgeschichte Christi voran. Der immer wieder fast atemlose Bericht des Evangelisten wechselt mit erregten, gelegentlich hysterischen Chören, in denen Bach dem angestachelten Volkszorn großartig Ausdruck verleiht. Hätte Bach Opern komponiert, hier bekommt man eine Idee davon, wie sie möglicherweise geklungen hätten.

René Jacobs dirigiert Bachs Johannes-Passion | Bildquelle: Harmonia Mundi

Bildquelle: Harmonia Mundi

CD - Tipp 24.03.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Aber Johann Sebastian Bach war kein Opernkomponist, der szenische Pomp, der mit dem Genre meist verbunden war, war seine Sache nicht. Seine Passionen gehören gewiss nicht ins Theater, und auch die Johannes-Passion ist bei aller Dramatik kein Bühnenwerk. Als solches inszeniert René Jacobs sie auch keineswegs in seiner fantastischen Neuaufnahme mit zwei gleichermaßen großartigen Ensembles, dem RIAS Kammerchor und der Akademie für Alte Musik Berlin. Aber er rückt die überwältigende dramaturgische Geschlossenheit dieses Ausnahmewerkes in den Vordergrund, indem er es konsequent aus der zentralen Rolle des Chores heraus entwickelt. Alle Solisten kommen aus den Reihen des, ebenso virtuos wie ergreifend singenden Rias Kammerchores, die einzige Ausnahme bildet Werner Güra als souveräner und überragend gestaltender Evangelist.

Absolut schlüssiges Konzept

Die Volkszenen fächert René Jacobs überzeugend in solistische und chorische Passagen auf, was nicht nur zu packenden musikalischen Steigerungen führt, sondern Figuren individualisiert, Hetzer und Verführte aus der Masse des Volkes hervortreten lässt. Das wirkt nicht nur klanglich, sondern auch dramaturgisch überzeugender als alle Versuche, die gesamte Passion solistisch aufzuführen. Und wenn Jacobs in den Chorälen die Chorbesetzung noch einmal zur großen Gemeinschaft der Gläubigen erweitert, dann wirkt auch dies absolut schlüssig.

Überzeugungskraft und faszinierende Musikalität

Dass Jacobs in einem Appendix noch fünf Choräle und Arien aus dem Notenmaterial der Aufführung von 1725 hinzufügt, ist ein zusätzlicher Gewinn. Schon seine vor zwei Jahren erschienene Aufnahme der Matthäus-Passion war ein Wurf, doch diese Johannes-Passion überzeugt mich in ihrer konzeptionellen Geschlossenheit, ihrer Überzeugungskraft und faszinierenden Musikalität noch mehr.

Johann Sebastian Bach: Johannes-Passion

Sunhae Im (Sopran)
Benno Schachtner (Countertenor)
Sebastian Kohlhepp (Tenor)
Werner Güra (Tenor)
Johannes Weisser (Bariton)
RIAS Kammerchor
Staats- und Domchor Berlin
Akademie für Alte Musik Berlin
Leitung: René Jacobs
Label: Harmonia mundi

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