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CD - Friedrich Gulda spielt Beethovens Diabelli-Variationen

Wir müssen uns Beethoven als einen glücklichen Menschen vorstellen. Diesen Beethoven in seinen letzten Lebensjahren. Als einen Mann, der seine inneren Kämpfe gekämpft hat. Der im Reinen ist mit sich, mit seinen Enttäuschungen, mit seiner Sehnsucht, mit seinem Zorn, seiner Lust. Als einen Mann, der frei ist. Frei, zu tun was er will. Frei, zu können was er will.

Friedrich Gulda spielt Beethovens Diabelli-Variationen | Bildquelle: MPS

Bildquelle: MPS

CD-Tipp 14.03.2016

Ludwig van Beethoven: Diabelli-Variationen

Wenn man so weit ist, dann greift man sich ein läppisches Ding von einem Walzer, das ein Wiener Verleger zu PR-Zwecken als Objekt von Variationen lanciert hat. Und dann: lässt man die Puppen tanzen.

Mystik und Raserei

1822/23 komponierte Ludwig van Beethoven seine "33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli op. 120". Vier Jahre hatte er danach noch zu leben, die Diabelli-Variationen waren seine vorletzte Klavierkomposition. Sie gelten als einer der größten Variationszyklen der abendländischen Musik. Sie sind es. Vom mystisch versunkenen Gebet bis zu einer Raserei in Form einer Doppelfuge, von Wutanfällen über was weiß ich für verlorene Gegenstände oder Schlachten bis zum weltweise gelassenen Menuett – eine Tour d’horizon des Menschlichen, mal zärtlich, mal gewaltsam, mal verstörend, mal zu Tränen rührend. Das ist wild, das ist Leidenschaft, das ist Wahrheit.

Grenzgänge in Sachen Tempo, Anschlag, Dynamik

Müssen wir uns Friedrich Gulda als einen glücklichen Menschen vorstellen? Gulda war ein Mann, der mit vielem im Widerstreit lag – nicht zuletzt mit seinem eigenen pianistischen Genie, das seitens des etablierten Bürgertums so sehr goutiert wurde, dass es ihn manchmal ekelte. Dann bahnte sich die Wut ihren Weg aus ihm heraus und er musste Anstoß erregen. Wenn er frei war, dann vermutlich, wenn er spielte, seine Hausgötter, Bach, Mozart, Beethoven. 46 Jahre ist es nun her, dass der Ton-Tüftler Hans Georg Brunner-Schwer im Tonstudio in Villingen im Schwarzwald seine Mikrophone in Guldas Flügel praktisch hineinhängte, seismographisch nah dran an den musikalisch-akustischen Eruptionen, die sich da entluden.  Die für diese CD behutsam restaurierten Original-Masterbänder lassen Guldas Grenzgänge in Sachen Tempo, Anschlag, Dynamik aufleuchten wie ein frisch gereinigtes Fresko. Beethoven und Gulda: Freiheit trifft hier auf Freiheit, Grimm auf Grimm, Liebe auf Liebe. Keine Mätzchen, nichts Aufgesetztes, beinhart, tiefstempfunden. Eine Sternstunde.

Ludwig van Beethoven: Diabelli-Variationen op. 120

Friedrich Gulda (Klavier)
Label: MPS

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