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CD - Johannes Brahms Streichquartette, Klavierquintett

Der Beginn: eine Explosion! Dann: plötzliches Innehalten. Was Johannes Brahms im Kopfsatz seines c-Moll-Quartetts an klanglichen und affektiven Extremen bietet, ist schlicht maßlos und überschreitet diverse Grenzen der Quartettmusik. Für die Interpreten bedeutet das: Energie vom ersten Takt weg. Die hat das Belcea Quartet.

CD-Cover: Das Belcea Quartet spielt Brahms | Bildquelle: Alpha

Bildquelle: Alpha

CD-Tipp 11.10.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Brahms fiel das Komponieren von Streichquartetten offensichtlich nicht leicht. Allzu schwer saßen ihm nicht nur die Quartette von Haydn, Mozart oder Beethoven im Nacken, sondern auch die Maßstäbe, die Schubert, Mendelssohn und Schumann noch unmittelbarer gesetzt hatten. Es sollten jedenfalls über zwanzig Jahre vergehen, bevor das erste Streichquartett von Brahms im Konzert erklang. Ein akribischer Schaffensprozess muss ihm vorausgegangen sein. Erst viel später entdeckte dann Arnold Schönberg vor allem in der Musik der ersten beiden Quartette von Brahms einen beispiellos fortschrittlichen Geist. Brahms habe hier versucht, eine "musikalische Prosa" zu schreiben und so das erstarrte Denken in Themen und Perioden überwunden.

Direkter, schlanker, körperlicher Ton

Die vier Musiker des Belcea Quartet folgen der großen Fallhöhe dieser Brahms'schen Musik mit entsprechend vielseitiger Ausdruckskraft. Sie kehren dabei die romantische Geste heraus, spielen weniger streng oder "kühl" wie etwa das Artemis Quartett in der Aufnahme vom vergangenen Jahr. Dennoch ist der Ton direkt, schlank, körperlich und "zeitgemäß", niemals unkontrolliert schwärmerisch oder dick. Die Belceas wissen immer, was sie tun, bei jeder Begleitfigur, jedem dynamischen Vorangehen. An der ersten Violine sitzt die Rumänin und Quartettgründerin Corina Belcea. Sie prägt als Primaria den Klang ihres Ensembles, wie schon beim ersten Brahms-Album vor 13 Jahren, auch wenn seitdem zwei Pulte gewechselt haben.

Orchestrales Miteinander

Für das Klavierquintett stößt der österreichische Pianist Till Fellner dazu. Er fügt sich in das leidenschaftliche Treiben und die intensive Spielfreude der Belceas konsequent ein. Stets wird die Balance eines gleichwertig großen Ganzen gewahrt. Diese Quintett-Interpretation setzt mehr auf das orchestrale Miteinander als auf ungestümes Solistentum. Das überzeugt und ist in sich stimmig, lässt aber vom Klavier einen kleinen Funken Übermut vermissen, wenn diese wunderbare Musik stellenweise am Zerbersten zu sein scheint.

Alles in allem: Ein Brahms-Album, das faszinierend vorführt, wie sich äußerst präzises Quartettspiel und scheinbar ungestümer Ausdruckswillen überzeugend vereinen lassen.

Johannes Brahms: Kammermusik

Streichquartette Nr. 1-3
Klavierquintett f-Moll, op. 34

Belcea Quartet
Till Fellner (Klavier)
Label: Alpha

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