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CD - Johannes Brahms Klaviertrios Nr. 1 und 2

Im Wegschmeißen war er groß. Johannes Brahms war da durchaus radikal. Was den eigenen Qualitätsmaßstäben nicht genügte, wurde rigoros vernichtet. Bevor er endlich sein erstes Streichquartett veröffentlichte, hatte er nicht weniger als 20 Quartette komponiert und wieder verworfen. Ins Feuer geworfen habe er "das Zeug", schrieb er einem Freund, weil er es einfach nicht gut genug fand.

CD-Cover: Johannes Brahms, Klaviertrios | Bildquelle: MDG

Bildquelle: MDG

CD-Tipp 17.06.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Auch Skizzen und Entwürfe hat Brahms sorgfältig eingeäschert. Seine Werkstatt war streng geheim, weder Mit- noch Nachwelt hatten darin herumzuschnüffeln. Nur seinen engsten Freunden gewährte er Einblick. Vor allem an Clara Schumann schickte er unfertige Kompositionen – in der Regel garniert mit sarkastischen Kommentaren und der Bitte um ein unnachsichtiges Urteil. So auch 1880 zwei Sätze für Klaviertrio. Und wie so oft war Clara Schumann begeistert, Brahms selbst dagegen weniger: Den einen Satz arbeitete er nochmal grundlegend um, den andern, den Clara ganz besonders großartig fand, verbrannte er. Wenn man sich vorstellt, wieviel geniale Musik Brahms auf diese Weise vernichtet hat, wird einem ganz anders. Dafür sind die Stücke, die seine gnadenlose Selbstkritik überlebt haben, so dicht gearbeitet, dass man sich ein ganzes Leben lang nicht daran satt hört. Und sicher hat es dem zweiten Klaviertrio op. 87 gut getan, dass Brahms nochmal daran gefeilt hat, obwohl Clara Schumann schon von der ersten Fassung restlos begeistert war.

Die kürzere Fassung gewinnt

Nur einmal kam Brahms mit seiner Selbstkritik zu spät: beim Ersten Klaviertrio. Mit 21 Jahren hatte er es komponiert, ein wahres Mammutwerk. Allein der erste Satz dauert 20 Minuten. Später brachte Brahms in der gleichen Zeit vier Sätze unter. Kein Wunder, dass Brahms die Weitschweifigkeit seines Jugendwerks gehörig auf die Nerven ging. Er kürzte, war aber immer noch nicht zufrieden. Schließlich nahm er sich das Stück vor, ließ nur die genialen Themen stehen und komponierte das Stück praktisch nochmal komplett neu. Diesmal allerdings konnte er den Gegenstand seiner Selbstkritik nicht mehr aus dem Weg räumen: Die erste Fassung war schließlich schon seit mehr als 30 Jahren gedruckt. Und man muss es zugeben: Die zweite, um gut ein Drittel kürzere Fassung ist die stärkere. Zumal der unwiderstehliche jugendliche Charme der ursprünglichen Themeneinfälle erhalten bleibt und in der knappen, ausgereiften Version noch viel besser zur Geltung kommt. Brahms war also vielleicht übertrieben selbstkritisch – aber eben alles andere als ein Verschlimmbesserer.

Klangsatt ohne Überdruck

Das Wiener Klaviertrio, das zu den führenden Ensembles in dieser Besetzung gehört, hat nun die Trios Nr.1 und 2 von Brahms überzeugend eingespielt: klangsatt, aber ohne Überdruck, hoch emotional und mit genauem Gespür für Proportionen. Auch die Balance zwischen Klavier und Streichern – für die Formation Klaviertrio immer eine besondere Herausforderung – ist auf dieser Aufnahme perfekt ausgehört. Vor allem auf einer Surround-Anlage kann man die aufnahmetechnische Brillanz dieser Platte bewundern – nicht nur für große Orchester, auch für Kammermusik steigert Mehrkanal merklich den Genuss. Auch deshalb kann man sich auf die zweite Platte dieser Gesamteinspielung von Brahms‘ Klaviertrios freuen. Auf der ist dann hoffentlich auch die überbordende frühe Fassung seines H-Dur-Trios zu hören. Schließlich bietet dieses Stück die einmalige Gelegenheit, einen Blick in Brahms‘ sonst streng geheime Werkstatt zu werfen. Den Rest hat er verbrannt.

Johannes Brahms: Klaviertrios

Klaviertrio Nr. 1 H-Dur, op. 8 (Version von 1889)
Klaviertrio Nr. 2 C-Dur op. 87

Wiener Klaviertrio

Label: MDG

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