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CD - Johann Sebastian Bach "Angenehme Melodei"

In dieser Neueinspielung geht es um den "geselligen" Bach - als Gegenbild zum Leipziger Thomaskantor. Dass Bach in dieser Funktion als Thomaskantor manchen Ärger hatte mit Stadt- und Kirchenrat, ist bekannt. Umso mehr brauchte er die Fürsprecher; einflussreiche Leipziger Bürger, die ihm wohl gesonnen waren. Deshalb schuf er diverse sogenannte "Huldigungskantaten", die allerdings heute großenteils als verschollen gelten. Der Cembalist und Musikwissenschaftler Alexander Grychtolik unternahm jetzt den Versuch, zwei dieser Huldigungskantaten zu rekonstruieren.

CD-Cover Johann Sebastian Bach: Huldigungskantaten | Bildquelle: Deutsche Harmonia Mundi

Bildquelle: Deutsche Harmonia Mundi

CD-Tipp 19.04.2017

Johann Sebastian Bach - "Angenehme Melodei"

Die Sopranstimme und ein separater Textdruck sind das Einzige, was von der Solokantate "O angenehme Melodei" überliefert ist - der längsten Solokantate übrigens, die Bach je geschrieben hat. Gewidmet war sie dem Leipziger Stadtkommandanten Joachim Friedrich Graf von Flemming und wurde vermutlich zu dessen 75. Geburtstag 1740 aufgeführt. Als musikalische Vorlage verwendete Bach dabei, wie so oft, eine ältere Kantate aus seiner Weimarer Zeit. Und auch die vorliegende sogenannte "Parodiefassung" wurde später einer weiteren Umwidmung unterzogen - was einerseits Auskunft über den Musik-Pragmatiker Johann Sebastian Bach gibt, andererseits für den Bearbeiter Alexander Grychtolik zur wichtigen Fundstelle wurde. Denn anhand dieser späteren Hochzeitskantate konnte er großenteils den Instrumentalsatz des vorliegenden Stückes rekonstruieren.

Huldigung an Leipzig

Wie schon bei vorausgegangenen Produktionen, hat Grychtolik ein handverlesenes Ensemble um sich geschart: zum einen die von ihm geleitete Deutsche Hofmusik, zum anderen die Sopranistin Katja Stuber, den Altisten Franz Vitzthum und den Tenor Daniel Johannsen, allesamt ausgewiesene Spezialisten im Bereich historischer Aufführungspraxis. Nichtsdestotrotz meint man einigen der hier dargebotenen Koloraturen das Fehlen des letzten Routineschliffs anzumerken - was in Anbetracht der Rekonstruktions-Geschichte eigentlich auch nicht verwunderlich ist. Zudem fällt auf, dass gerade die Sopranpartie in dieser Huldigungskantate einen ausgesprochen großen Tonumfang und extreme Höhen aufweist. Was wiederum in der anderen hier ausgegrabenen Kantate nicht der Fall ist. "Erwählte Pleißenstadt", so ihr Titel, mit dem natürlich Leipzig gemeint ist, das "Pleiß-Athen" in seiner damaligen kulturellen wie wirtschaftlichen Blüte. Beiden Aspekten, dem der Künste und des florierenden Handels, huldigt Bach hier durch den Dialog der Götter Apollo und Mercurius.

Überzeugende Vokalisten

Die Rekonstruktion dieser Huldigungskantate wurde erst möglich durch das teilweise Auffinden ihrer Parodievorlage 2003 in einem japanischen Nachlass: Dabei handelt es sich um die beiden Gesangsstimmen der ursprünglichen Hochzeitskantate "Vergnügte Pleißenstadt" BWV 216. Die dortigen Flussnymphen Neiße und Pleiße mutierten kurzerhand zu Mercurius und Apollo, in der vorliegenden Ersteinspielung sehr überzeugend interpretiert durch den bayerischen Countertenor Franz Vitzthum und den österreichischen Tenor Daniel Johannsen.  Und wenn im Rezitativ die Rede ist von denen "die an dem Ruder sitzen", so legt dies die Vermutung nahe, dass Bach diese Huldigungsmusik an wohlhabende Gönner aus dem Leipziger Stadtrat adressiert hat - ein Pragmatiker eben.

"Angenehme Melodei"

Johann Sebastian Bach:
Huldigungskantaten
BWV 216a ("O angenehme Melodei")
und
BWV 210a ("Erwählte Pleißenstadt")

Katja Stuber (Sopran)
Franz Vitzthum (Altus)
Daniel Johannsen (Tenor)
Deutsche Hofmusik
Leitung: Alexander Grychtolik

Label: Deutsche Harmonia Mundi

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