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CD - Christian Wolff Klavierwerke

Der amerikanische Komponist Christian Wolff wurde 1936 als Sohn deutscher Eltern in Nizza geboren und lebt seit 1941 in den USA. Als 16-jähriger hatte er John Cage kennen gelernt und schnell wuchs er als Komponist in dessen Künstlerkreis, zu dem u.a. auch Morton Feldman, Earl Brown, David Tudor und die Maler des abstrakten Expressionismus gehörten.

Bildquelle: Mode Records

CD-Tipp 08.01.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Der vielseitig begabte Verlegersohn machte Cage mit dem chinesischen Orakelbuch I Ching bekannt, das dessen weiteres Schaffen erheblich beeinflussen sollte. Er selbst arbeitet bis heute an seinem experimentell geprägten, extrem vielfältigen Oeuvre, bei dem der Zufall oft eine entscheidende Rolle spielt. Nun hat der Künstler selbst eine Doppel-CD mit Klaviermusik eingespielt.

4-Sekunden-Opus

Darauf findet sich unter anderem das wohl kürzeste Stücke der Klavierliteratur. Gerade mal vier Sekunden dauert es: Tonika – Dominante – Tonika, kürzer noch als die kürzeste der Klavier-Bagatellen Ludwig van Beethovens, in deren Tradition stehend Wolff seine 24 seit 1991 entstandenen "Keyboard Miscellanys" sieht - eine Sammlung kleiner Gelegenheitskompositionen und Widmungs-Stücke z.B. für Musikerkollegen wie David Tudor, Earl Brown, György Kurtág oder (eine "Travelling Melody") Walter Zimmermann, von denen einige auch mit einer Melodica gespielt werden können.

Sensible Interpreten gefragt

Bei etlichen der Miniaturen dieser Sammlung hat Christian Wolff nur Tonhöhen und Rhythmen notiert, aber keine Vorgaben zur Dynamik und den Tempi gemacht. Ihrer Textur nach ist die Musik also teilweise indeterminiert und damit offen für spontane Eingebungen des Interpreten. Dieser freilich sollte hoch sensibel agieren und nicht gänzlich unvertraut sein mit dem ästhetischen Denken der Künstler um John Cage und der abstrakten Expressionisten. Die technischen Schwierigkeiten erfordern jedenfalls keinen Virtuosen.

Autonome Klänge

Auf der einer weiteren CD dieses Doppel-Packs spielte Wolff mit ebenso souverän wie gelassen temperiertem Gleichmut eine super-kleinteilige "Incidental Music" ein, die er 2003/04 für ein Event der legendären Merce Cunningham Dance Company geschrieben hat. Und bei einigen wenigen der insgesamt fast hundert Stücke, die zwischen ein paar Sekunden und um die zwei Minuten dauern, hat er die Tongebung durch Spiel auf den Saiten ins Geräuschhafte verfremdet. Ähnlich wie bei den frühen Cage-Stücken für präpariertes Klavier sollen die Klänge dieser Musik vollkommen autonom, also ohne Koordination mit den Bewegungen der Tänzer ablaufen.

Nostalgisch angehauchte Tonspiele

In ihrer Abfolge stets höchst fantasievoll gesetzt, beschwören die teils rätselhaften, teils lapidaren, teils kristallin wirkenden, teils nostalgisch angehauchten Tonspiele eine Atmosphäre der Zeit-Entrücktheit herauf. Und kaum möchte man ausschließen, dass den einen oder die andere eine träumerische Lust überkommt, sich selbst einmal aufs Abenteuer nach der Suche unbekannter Ton-, Klang- oder Geräuschkonstellationen einzulassen.

Christian Wolff: Klavierwerke

"Incidental Music"
"Keyboard Miscellany"
Christian Wolff (Klavier)
Label: Mode

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