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CD - Simon Rattle dirigiert Claude Debussy: "Pelléas et Mélisande"

Sir Simon Rattle führt zur Zeit ein Doppelleben: Einerseits steht er bis nächsten Juni noch an der Spitze der Berliner Philharmoniker, andererseits hat er im September schon seinen neuen Chefposten beim London Symphony Orchestra angetreten. Nun ist der Mitschnitt einer von Rattle geleiteten konzertanten Opernaufführung erschienen, die im Januar 2016 im Barbican Center stattfand. Magdalena Kožená und Christian Gerhaher singen die Titelrollen von Claude Debussys "Pelléas et Mélisande".

CD-Cover: Simon Ratle dirigiert "Pelléas et Mélisande" | Bildquelle: LSO live

Bildquelle: LSO live

Der CD-Tipp zum Anhören

Musik fräst sich durch sämtliche Bereiche des menschlichen Inneren: berückend - bedrückend. Claude Debussy weiß das und nutzt es - auch und gerade in "Pelléas et Mélisande". Die Oper erzählt eine bürgerliche Dreiecksgeschichte um die beiden Halbbrüder Pelléas und Golaud und ihre Liebe zu Mélisande. Eine Geschichte, die schon im Drama von Maurice Maeterlinck im Tonfall einer Legende daherkommt, märchenhaft-unrealistisch. Es entwickelt sich eine Eifersuchtstragödie, die alptraumhaft in eine Sphäre der Grausamkeit mündet.

Unverwechselbare Atmosphäre

Simon Rattle und das vorzügliche London Symphony Orchestra wissen, was zu tun ist, damit das Publikum den Abgründen des Komponierten nachhorchen und latente Spannungen unter der Oberfläche und die Bedeutung von behutsamen Tempomodifikationen als Lebenselement der Musik erkennen kann. Jederzeit um Deutlichkeit in der Artikulation bemüht, setzt der Dirigent gerade nicht auf vage Stimmungselemente: Er verweist gelassen und doch nachdrücklich auf motivische Linien und Figuren, die in dieser Oper eine unverwechselbare Atmosphäre schaffen - als würde ständig jemand auf der Lauer liegen. Ähnlich wie bei einer Katze, die ihre Krallen ebenso plötzlich ausstreckt wie sie sie auch wieder zurückzieht. Dieser Vergleich zu Debussys einzigem Musikdrama stammt von Pierre Boulez – und lässt sich in der Aufnahme Rattles mühelos nachvollziehen.

Mezzosopran mit sensiblen Schattierungen

Die Sänger meiden unangemessene Kantabilität, die den Grundcharakter der Musik verriete. So soll es sein, so hat der Komponist sich das vorgestellt! Alle drei tragenden Rolleninterpreten konzentrieren sich auf Debussys vielsagende Andeutungen klanglicher Valeurs, die ständig wechseln. Magdalena Kožená bietet ein weniger infantil als feminin gefärbtes Mezzosopran-Timbre mit sensiblen Schattierungen. Der hohe Bariton von Christian Gerhaher hat für Pelléas die wünschenswerte Helligkeit, der tiefe Bariton von Gerald Finley die für Golaud notwendige Dämonie. Die drei arbeiten die Isolation und Determination der geheimnisumwitterten Schlossbewohner sauber heraus. Allesamt scheinen sie verloren in Zeit- und Ortlosigkeit.

Claude Debussy: "Pelléas et Mélisande"

Magdalena Kožená, Mezzosopran - Mélisande
Christian Gerhaher, Bariton - Pelléas
Gerald Finley, Bariton - Golaud
Franz-Josef Selig, Bass - Arkel
Bernarda Fink, Alt - Geneviève
Joshua Bloom, Bass - Doktor und Hirte
Elias Mädler, Knabensopran - Yniold

London Symphony Chorus
London Symphony Orchestra
Leitung: Simon Rattle

Label: LSO live

Sendung: "Leporello" am 07. November 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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