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CD - "Et Lux" Wolfgang Rihm

Was kommt nach dem Tod? Rasende Tunnelfahrten auf ein gleißendes Licht, winkende Gestalten, der ruhige, klare Blick auf den eigenen Körper? Nahtoderfahrungen werden in etlichen Patientenstudien wissenschaftlich ausgekundschaftet. Doch so ganz möchte man dem nicht trauen.

CD-Cover "Et Lux" | Bildquelle: ECM

Bildquelle: ECM

CD-Tipp 02.04.2015

Wolfgang Rihm - "Et Lx"

Die Kunst ist da schon weiter. Die Religion sowieso. Vielfältige Szenarien vom Leben danach illustrieren Ängste oder wollen hoffnungsvoll Trost spenden. In diesem transzendenten Niemandsland zwischen ewiger Verdammnis und unendlicher Geborgenheit wuchs der Gedanke des Requiems. Gib ihnen die ewige Ruhe, Herr, und das ewige Licht leuchte ihnen.

Für sein 2009 entstandenes Werk hat Wolfgang Rihm Verssplitter aus der lateinischen Totenmesse entnommen und in immer wiederkehrenden Wortverbindungen verwoben. Ganz im Zentrum erstrahlt "… et lux perpetua luceat …". Wie eine Meditation über einzelne Momente des Requiemtextes schuf Rihm eine gut einstündige Komposition, in der das Vokale und das Instrumentale gleichberechtigt aufeinander treffen. Assoziationen an mittelalterliche Motetten, die Vokalpolyphonie der Renaissance, geistliche Madrigale und die große Tradition des Streichquartetts von der Klassik bis heute schwingen mit.

Vorstöße ins Jenseits

Dass in dieser Aufnahme die Alte-Musik-Experten des Huelgas Ensembles unter Paul Van Nevel mit dem für neue Musik offenen Minguet Quartett Rihms Vorstöße ins Jenseits aufspüren, ergibt ein schlüssiges und vor allem ein glückliches Konzept. Die Klangsphären der menschlichen Stimme und des Streichquartetts fließen zu einem ruhigem Strom zusammen. Tiefgründig und klanglich ungemein feinfühlig tasten die acht Sänger und vier Streicher die verschiedenen musikalischen Fließgeschwindigkeiten ab und begeben sich in spirituelle Schwebezustände.  

In dieser metaphysischen Landschaft werden die sowohl tröstlichen als auch tief beunruhigenden Schattierungen des ewigen Lichts spürbar. Die unvorstellbare Unendlichkeit gespeist aus dem Unerklärlichen kann beängstigend wirken. Interessant wird es, wenn man Rihms intellektuellen Verpackungszauber, seine Absicht, das Alte und das Neue zu etwas Neuem zu formen, wie ein überflüssiges Schnittmuster von dieser Komposition entfernt. Dann schwelt Et Lux in Farben der Ungewissheit, in einer Harmonie der Zweifel. Der Traditionalist Rihm schuf sehr symbolhaft einen sehr menschlichen Widerspruch für die Erfahrungen an der Grenze des Lebens zum Tod: eine Musik gläubiger Skepsis.

Wolfgang Rihm: Et Lux

Huelgas Ensemble
Minguet Quartett
Leitung: Paul van Nevel
Label: ECM

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