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CD - Fabian Arends "Levitate"

"Levitate" ist das englische Wort für "Schweben" und "Schweben lassen". Der Schlagzeuger Fabian Arends hat es als Titel für die aktuelle CD seines Quartetts gewählt. Sein Instrument wird nur selten mit dem schwerelosen Zustand oder seiner Herbeiführung in Verbindung gebracht. Umso interessanter ist, wie er diese Ankündigung einlöst.

CD-Cover Fabian Arends: "Levitate" | Bildquelle: Klaeng Records

Bildquelle: Klaeng Records

CD-Tipp 20.02.2017

Der CD-Tipp zum Anhören

Als er mit Saxophonist Wanja Slavin, Pianist Simon Seidl und Bassist David Helm die zehn eigenen Stücke für das Album einspielte, überließ der 1990 geborene Musiker, der in den letzten Jahren mit einigen führenden Köpfen der Kölner Jazzszene zusammengearbeitet hat, so viel wie möglich dem Moment und gab nur einige, ganz gezielte kompositorische Richtungen vor.

Bestechende Exaktheit

Das Ergebnis dieser Arbeitsweise ist in jedem Moment spannend. Nichts ist hier beliebig, jeder Ton ist bewusst und präzise zueinander in Beziehung gesetzt. Beim Titel "Runner" etwa stehen sich zwei rhythmische Ebenen dialektisch gegenüber. Treibende Kraft auf der einen, sinnierende Melodie auf der anderen Seite. Der vorwärtstreibende Rhythmus in der Traditionslinie der Bebop-Drummer und die Idee des singenden Allegro der Vorklassik erscheinen hier verbunden. Auch, wenn die vier Musiker sich scheinbar suchend in offeneren Rubato- Räumen aufeinander zubewegen und dabei ganz en passant eine sehr präsente Leitmotivik entwickeln, tun sie das mit bestechender Exaktheit. Unweigerlich wird man beim Hören hineingezogen in das Prinzip eines Zusammenspiels, in dem Senden und Empfangen, Ausdeuten und Weiterentwickeln von vier gleichberechtigt agierenden Musikern zelebriert wird.

Dynamisch, aber nie knallend

Bei diesem Interplay definiert Fabian Arends seine Rolle auch als tonhöhengenau gestimmter Klangmaler. Mit seinen hoch dynamischen und dabei nie knallenden Impulsen auf Trommeln und Becken sorgt er für eine rhythmische Stabilität, die oftmals gar nicht vordergründig ist, aber verlässlich wie ein Pulsschlag die stetig fließende Musik durchzieht und sie auch in jeder Art von ungeradem Metrum und in den freien Passagen swingen lässt. Dabei schwingen stets auch Konzept und Form mit, ob in der Beschränkung auf zentrale Töne oder etwa, wenn im Prozess eines "melodischen Morphings" aus Motiven Melodien entstehen, die harmonisch unterschiedlich beleuchtet werden.

Atmosphäre der absoluten Intimität

Die Instrumentalisten gestehen sich dabei gegenseitig viel Freiheit zu, und nutzen sie häufig in der größtmöglichen Zartheit, aber immer klar definiert in Tongebung und Phrasierung. Selten hört man einen so leise, und dabei so präsent spielenden Schlagzeuger wie Fabian Arends, der so viel an Klangvarietät anzubieten hat, selten einen Saxophonisten, der eine solche Atmosphäre der absoluten Intimität erschafft wie Wanja Slavin. In dieser Konstellation entfaltet sich immer wieder große poetische Kraft auf eine wunderbar sachte Art und Weise - wie etwa in einem der vielen zauberischen Momente der Einspielung bei der Komposition "Bells", wenn eine getragene Melodie direkt aus dem Quintenzirkel erwächst, eingebettet in schimmernde Harmonien, unterlegt von der fein ausgestalteten inneren Bewegung eines nicht auf die Hauptzählzeiten betonten Metrums.

Der schwebende Hörer

Diese Musik hat Qualitäten, die einem fortgeschrittenen Jazzgenießer ebenso Freude bereiten können, wie einem grundsätzlich an Musik interessiertem Menschen ohne tieferes Wissen über das Genre. Davon bin ich überzeugt - auch und gerade, weil nichts an ihr gefällig oder gar stromlinienförmig daherkommt. Und was das Schweben (lassen) anbelangt: Das bewahrheitet sich tatsächlich in der Musik. Und auch beim Zuhören schwebt man manchmal selbst mit davon. Ein Zustand, den ich - genauso wie das Album - nur empfehlen kann.

Fabian Arends: "Levitate"

Wanja Slavin (Altsaxophon)
Simon Seidl (Piano)
David Helm (Bass)
Fabian Arends (Schlagzeug)

Label: Klaeng Records

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