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CD - Florian Weber "Lucent Waters"

Das Album beginnt mit Stille. Fünf Sekunden, in denen man den Pianisten dabei belauschen kann, wie er sich darauf vorbereitet, die ersten Noten einer improvisierten Introduktion in ebenso zarte wie aussagekräftige, von schimmernden Obertönen umhüllte Klänge zu verwandeln. Es sind Töne, die einen Raum öffnen, den man sich hörend befüllen kann mit Gedanken an alles, das schön ist und melancholisch zugleich. Wie aus einem Strom von Erinnerung entsteht hier ein unwahrscheinlich lebendiges Jetzt – und im Fall dieser Einspielung: sehr spannende Musik aus der Stille heraus.

CD-Cover Florian Weber: "Lucent Waters" | Bildquelle: ECM

Bildquelle: ECM

Der CD-Tipp zum Anhören

Florian Weber: "Lucent Waters"

Mit diesem ganz freien, offenen Stück stimmt der Pianist Florian Weber auf ein Album ein, das er mit Menschen aufgenommen hat, die er als sehr unabhängige Geister mit sehr eigener Herangehensweise an den Jazz empfindet. Einer von ihnen ist der amerikanische Trompeter Ralph Alessi, mit dem er schon seit 15 Jahren in unterschiedlichen Kontexten zusammenspielt. Ein großer Virtuose ist er, der seine Kunst nicht in den Dienst des Effekts, sondern in den einer wahrhaftigen Aussage stellt –diejenige einer wunderschönen Melodie zum Beispiel, aus Florian Webers Kompositionsschatz. Dunkel strahlt Ralph Alessis Ton, in dem viele feinste Schattierungen zusammenwirken. Zu hören ist er in drei von insgesamt acht Stücken auf der CD, von denen jedes seinen ganz eigenen Charakter entfaltet.

Getragene Ruhe und nervöser Puls

Impressionistisch perlende Läufe und an die Klangsprache Erik Saties erinnernde Passagen unterfüttert Florian Weber mit oft hochkomplexer Metrik, die ganz selbstverständlich und fließend zum beweglichen Fundament für herrlich schwebende Musik wird. Auch im Stück "Time Horizon", wo getragene Ruhe und nervöser Puls die mögliche Gleichzeitigkeit von stillem Inneren und aufgewühlter Welt darzustellen scheinen, bleibt das entscheidende Attribut aus dem Titel der CD erhalten – bei erhöhter Fließgeschwindigkeit.

Leuchtende Wasserströme

Die "Lucent Waters", die leuchtenden Wasserströme also, sind zugleich transparent und klar – und ihr Charakter wird wunderbar in Klang verwandelt. Das gehört zu den herausragenden Stärken dieser musikalischen Begegnung, in der Schlagzeuger Nasheet Waits und Bassistin Linda May Han Oh eine ebenbürtige Partnerschaft mit dem Pianisten eingehen.

Genussvolles Eintauchen

Florian Weber weist im Begleitmaterial zur CD darauf hin, dass er bei seinem Stück "Honestlee" an Lennie Tristano und vor allen Dingen an Lee Konitz gedacht hat, den über 90-jährigen Cool Jazz Mitbegründer, mit dem er seit 12 Jahren zusammenspielt. Die Verwendung des Kontrapunkts, aber auch die polyphonen Konzepte von Karlheinz Stockhausen haben ihn dabei noch zusätzlich inspiriert. Wer analytisch und mit genre-übergreifendem musikalischen Wissen hört, kann sich am Erkennen solcher und anderer Querverweise erfreuen. Oder aber einfach genussvoll eintauchen in die "Lucent Waters" des Pianisten Florian Weber.

Florian Weber: "Lucent Waters"

Florian Weber (Piano)
Ralph Alessi (Trompete)
Linda May Han Oh (Bass)
Nasheet Waits (Schlagzeug)

Label: ECM

Sendung: "Leporello" am 21. November 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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