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CD - Georg Friedrich Händel "Partenope"

Als "Schule für Liebende" wird unter den Opern des 18. Jahrhunderts normalerweise Mozarts "Così fan tutte" eingeordnet. Doch auch im Bühnenschaffen von Georg Friedrich Händel findet sich (mindestens) eine Oper, die das Etikett tragen könnte: "Partenope"! Im italienischen Lonigo nahe Vicenza ist im Februar dieses Jahres eine Neuaufnahme dieser selten gespielten Oper entstanden. Die Besetzungsliste präsentiert als "Zugpferd" den Countertenor Philippe Jaroussky.

Wer war doch noch Partenope? Eine mythologische Figur! Eine Sirene, die sich einst aus Liebeskummer ins Meer stürzte! Ihr Leichnam wurde in Süditalien angespült, wo man eine zauberhafte Stadt errichtet hatte – kurzerhand erklärte man Partenope zur Gründerin Neapels. Unter den Menschen, die das faszinierte, war Silvio Stampiglio, der ein Libretto über Partenope schrieb. Händel brachte seine Oper 1730 am Londoner King’s Theatre Haymarket heraus.

Drei Prinzen auf Brautschau

In mythischer Zeit umwerben drei Prinzen Partenope - die Sopranistin! Weder Emilio (Tenor) noch Arsace (Countertenor), sondern den stimmlich wesensverwandten Armindo (Sopran) erwählt Partenope. Zuvor besiegt sie Emilio, der mit Krieg drohte. Der treulose Arsace wird von Rosmira (Mezzosopran) zurückerobert, ihres Zeichens Prinzessin von Zypern. Schließlich sind sich Mezzo und Counter auch der Stimmlage nach nahe.

Individualität auch im Konventionellen

Bedenkt man, wie simpel Schlachtenmusik zur Barockzeit gestaltet wurde, so könnte man befürchten, auch eine Ausweitung dieses Szenentyps zu einem großangelegten Tableau hätte eintönig ausfallen können oder müssen. Doch bei Händel wirkt manche Akkordfolge und Modulation in solchem Zusammenhang wie ein Wechsel zwischen Totale und Close-Up, ein Kameraschwenk vom Kampfgeschehen zu dieser oder jener Bühnenfigur. Händel ließ es sich nicht nehmen, auch  konventionellen Handlungssituationen seinen individuellen Stempel aufzudrücken.

Abwechslungsreiche Dramaturgie

Eine gut dreistündige Oper bedeutet nicht zwangsläufig Rezitativ und Arie und nochmals Rezitativ und Arie - in scheinbar endloser Folge. Nebst vier Chören gibt es in "Partenope" auch vier Ensemblesätze: jeweils ein Quartett, Terzett, Duett - und ein Duettino! Ungewöhnlich für eine Opera seria damals, für die durch den einflussreichen Librettisten Metastasio eine Art Arienzwang herrschte. Unter dem Horizont aufgeklärten Wahrscheinlichkeitsdenkens à la Rousseau wurden Ensembles vom Publikum normalerweise mit Unmutsäußerungen aufgenommen, auch in London. Doch Händel leistete Widerstand.

Feine interpretatorische Geschmacksnerven

Was die Gesangsstimmen betrifft, trägt Händel wieder einmal dazu bei, Geschlechteridentitäten und damit die Unterschiede zwischen Mann und Frau aufzuheben: Durch die Musik erscheinen sie vollkommen ebenbürtig. Der Star der Neueinspielung, Philippe Jaroussky, lässt die Damen gleichermaßen brillieren: Karina Gauvin, Teresa Iervolino, Emöke Baráth. Mit feinen Geschmacksnerven genießt der Dirigent Riccardo Minasi, der sich selbst an der Viola d’amore vernehmen lässt, 28 Musiker, die sich "Il pomo d’oro" nennen: "Der goldene Apfel"!

Georg Friedrich Händel: "Partenope"

Karina Gauvin, Sopran – Partenope
Philippe Jaroussky, Countertenor – Arsace
Teresa Iervolino, Mezzosopran – Rosmira
Emöke Baráth, Sopran – Armindo
John Mark Ainsley, Tenor – Emilio
Luca Tittoto, Bass – Ormonte
Il pomo d’oro
Leitung: Riccardo Minasi
Label: Erato

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