BR-KLASSIK

"Den Kopf leicht nach hinten geneigt, mit melancholischem, etwas verächtlichem Mund, zieht dieses 'geniale Musikinstrument' namens Reynaldo Hahn alle Herzen in seinen Bann, lässt alle Augen feucht werden im Schauder der Bewunderung, und wir alle biegen uns zu ihm hin, so wie das Korn, das der Wind still und feierlich zum Wogen bringt."

Bildquelle: Timpani

CD-Tipp 30.01.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

So schwärmte Marcel Proust von Reynaldo Hahn. Zwei Jahre lang hatten der angehende Romanautor und der junge Erfolgskomponist eine stürmische Affäre miteinander, später verband sie eine tiefe Freundschaft, und Proust hat in seinem epochalen Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" Hahn auch ein heimliches Denkmal gesetzt. So kommt es, dass der einstige Direktor der Pariser Oper heute unter Literaturkennern fast bekannter ist als unter Musikliebhabern. Denn abgesehen von einigen Liedern ist Hahns Ruhm verblasst – erstaunlich angesichts der zerbrechlichen Schönheit seiner Klaviermusik.

Erlesene Kostbarkeiten eines belesenen Künstlers

Klarheit, Eleganz, ein Hauch von Nostalgie – das zeichnet die 53 Miniaturen aus, die Reynaldo Hahn 1912 unter dem Titel "Le rossignol éperdu" herausbrachte. Stilistisch war Hahn damit ganz und gar in Frankreich zu Hause – auch wenn sein Vater aus Hamburg stammte und seine Mutter aus Venezuela. Praktisch nie lässt sich diese Musik von Leidenschaften mitreißen, stets wahrt sie Noblesse und Delikatesse, auch dort, wo es sich um intime Bekenntnisse handelt. Und doch sind diese flüchtigen Charakterstücke mehr Sein als Schein, verbirgt sich unter der aparten Oberfläche ein Labyrinth an Bezügen. Es sind erlesene Kostbarkeiten eines belesenen Künstlers, der mit seinen Titeln auf Literatur, Gemälde oder Mythologie anspielt und sogar zwei Orientreisen musikalisch verarbeitet, nach Algerien und in die Türkei.

Exotische Parfums und schimmernde Farben

Der aus dem Libanon stammende französische Pianist Billy Eidi ist genau der Richtige für diese poetische Musik mit ihren exotischen Parfums und ihren schimmernden Farben. Einfühlsam und mit leichter Hand erzählt er uns von fernen Welten, versunkenen Träumen und vergänglichem Glück. Und je mehr man eintaucht in den Kosmos des Reynaldo Hahn, desto mehr wird man auch das Urteil von Marcel Proust nachempfinden können: