Bildquelle: Sony Music
Die Kostprobe vom 17. Mai 2015
Hille Perl: Born to be Mild
Es hätte auch leicht daneben gehen können. Alles begann mit den Dead Poets. Einer Rockband, von der bekannten Gambistin Hille Perl mit einigen Freunden gegründet, um "just for fun" alte Rocksongs zu spielen. Bald stellte sich heraus, dass ihre Gambe in diesem Kontext schlicht zu leise war. So fand Hille Perl den Zugang zur E-Gambe, einer elektrisch verstärkten Version des altehrwürdigen Instruments mit kleinerem Klangkörper und Tonabnehmer unter dem Steg. Wie auch bei anderen elektroakustischen Instrumenten kann der Sound der E-Gambe mit Effektgeräten verändert werden.
"Born to be mild": Der Titel dieser neuen Hille Perl-CD beschwört sofort Assoziationen zu Easy Rider und Steppenwolf herauf. Zugleich gibt er aber auch einen Hinweis auf die "milde" Herangehensweise, dass es hier eben nicht um brachial laute und krachige Rocksounds geht – im Gegenteil, die Grundhaltung ist eher ruhig und atmosphärisch. Hille Perl erforscht ihre elektrische Gambe ganz aus der Praxis der Alten Musik heraus, Klängen und Klangmöglichkeiten aktiv und kreativ nachzuspüren, mit Fingerspitzengefühl und viel Improvisation.
Durch dieses spielerische Konzept verschmilzt die bunte Mischung von Stücken quer durch die Jahrhunderte und Stilrichtungen zu einem organischen Ganzen: Melodien der Renaissance und Werke der Gambenvirtuosen Tobias Hume, Antoine Forqueray und Marin Marais sind genauso vertreten wie Jazz, Folk und osmanische Musik. Für Hille Perl ist das durchaus ein gewagtes Unterfangen. Rückhalt findet sie bei ihren Mitmusikern: ihre Tochter Marthe an der zweiten Gambe, mit der sie bereits die CD "Elements" eingespielt hat, und natürlich ihr langjähriger Partner und Ehemann, der Lautenist Lee Santana, der hier zur sensibel gehandhabten E-Gitarre greift und auch als Komponist drei Titel beigesteuert hat.
Diese CD passt in keine Schublade. Aus dem Forschergeist der Alten Musik geboren und künstlerisch folgerichtig wie interessant, ist zu befürchten, dass viele Klassik-Liebhaber und Alte Musik-Fans mit dieser Klangwelt nichts anfangen können. Das wäre aber schade, handelt es sich doch um einen gelungenen Versuch, den Ansatz der historisch informierten Aufführungspraxis um die klanglichen und musikalischen Möglichkeiten der Rockmusik zu erweitern. Folglich sollte man diese CD als das nehmen, was sie ist: ein musikalisches Experiment ohne stilistische Scheuklappen - und es einfach nur genießen, wenn Hille Perl - wie sie es selber nennt - in die amphibischen Möglichkeiten ihres Steve Vai Bad Horsie Whawha Pedals "abtaucht".