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CD - Steven Isserlis spielt Cellokonzerte von Elgar, Holst und Walton

Manchmal scheitern die Dinge an Eitelkeit und Egomanie. Die Politik ist voll von solchen Geschichten, die Kunstwelt nicht weniger. Die Ampel steht auf grün und doch geht alles schief. Auch am 27. Oktober 1919 hätte eigentlich alles glatt laufen können. Sir Edward Elgar hatte ein Cellokonzert komponiert, Cellist Felix Salmond hatte die Arbeit beratend begleitet und war für die Uraufführung des viersätzigen Stücks bestens gerüstet. Die Londoner Queen’s Hall und das London Symphony Orchestra waren gebucht.

CD-Cover: Steven Isserlis spielt Elgar, Holst und Walton | Bildquelle: Hyperion

Bildquelle: Hyperion

CD-Tipp 23.03.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Verbockt hat es damals der Dirigent Albert Coates, ein gewissenloser und ruhmsüchtiger Orchesterleiter, über den Elgars Frau Alice schimpft: "Hoffe, nie wieder mit diesem brutalen Coates in Berührung zu kommen."

Uraufführungs-Fiasko

Drei hochkomplexe Werke hat Coates damals zu Elgars neuem Konzert zusätzlich ins Programm gequetscht, die Dramaturgie des Abends ist eine Katastrophe und schon die Proben versanden im Chaos: Das London Symphony Orchestra kommt technisch an seine Grenzen, Albert Coates überzieht permanent und lässt Elgar, der sein Stück selbst dirigiert, keine Zeit, mit dem Orchester zu arbeiten. Ungeprobt wird alles ein Fiasko: "Sicherlich hat ein so großes Orchester noch nie eine so klägliche Aufführung hingelegt."

Künstlerische Wahrhaftigkeit

Knapp 100 Jahre später ist das musikgeschichtliche Missverständnis aufgeklärt: Elgars Konzert mit seiner fast Schubert-haften, schmerzlichen Sensibilität, seiner fragilen Schönheit, seiner unheroisch suchenden und elegischen Haltung (auch als Reflexion des ersten großen Krieges im 20. Jahrhundert) gehört längst zu den Meisterwerken. Legenden wie John Barbirolli und Jacqueline du Pré haben es etabliert, Künstler wie der Brite Steven Isserlis lassen es heute strahlen. Besonders eindringlich ist das, was Isserlis und das Philharmonia Orchestra unter dem Ecken und Kanten geradewegs anziehenden Paavo Järvi da auf CD vorlegen, weil sie jeden Ansatz von Pathos und Schwelgerei vermeiden. Weil sie sich entblößen vor der Musik, sich verletzlich machen und nicht die einfachen, schwärmerischen Töne bedienen. Nicht dem Schönklang verfallen, obwohl, was sie spielen, schön klingt. Sondern weil sie im Stillen fragen, weinen und hoffen, ohne den Fokus auf Wirkung, aber mit ernsthaftem Interesse an künstlerischen Antworten. Keine leichte Musik, aber eine, der man sich, wenn sie so interpretiert wird, gern hingibt.

Steven Isserlis spielt Cellokonzerte

Edward Elgar:
Cellokonzert e-Moll, op. 85
Gustav Holst:
"Invocation", op. 19/2
William Walton:
Cellokonzert
Imogen Holst:
"The Fall of the Leaf" für Cello solo
Steven Isserlis (Violoncello)
Philharmonia Orchestra
Leitung: Paavo Järvi
Label: Hyperion

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