Skip Sempé, aus New Orleans stammend, seit vielen Jahren in Frankreich lebend, Cembalist, Dirigent, Musikphilosoph, ist einer der neugierigsten, umtriebigsten Alte-Musik-Künstler unserer Tage. Sein neues Projekt: Bach auf zwei Cembali. Gewagt.
Bildquelle: Paradizo
"Der grundlegende Gedanke ist, dass das Cembalo viel mehr "kann", als man normalerweise annimmt, und so entschieden wir uns, ein hochriskantes Projekt voranzutreiben: zwei Cembali." "Ein hochriskantes Projekt vorantreiben" - eine Formulierung, die zu ihrem Schöpfer so recht passt: Skip Sempé ist ein Mann für ganze Sachen, einer, der die Herausforderung sucht, der es wissen will.Die Musik Johann Sebastian Bachs gehört dabei nicht unbedingt zu Sempés weitgefächerten Kern-Interessen. Die kaprizieren sich auf französische Barockmusik ebenso wie auf die Tanzmusik der Renaissance, die er mit seinem Ensemble "Capriccio Stravagante" in "symphonischer" Klangfülle aufleuchten lässt, die englischen Virginalisten begeistern ihn , aber auch die Cembalosonaten des Italieners Domenico Scarlatti. Also, wenn ein solcher Perfektionist und Querdenker sich auf Bach einschwingt, dann ist Besonderes zu erwarten, ja, Außergewöhnliches.
Und außergewöhnlich ist diese CD in der Tat: "Originalen" Bach nämlich wird man auf ihr kaum finden. Stattdessen: Drei Präludien und Fugen, die Bach für Orgel komponierte, dazu eine Vielzahl von Stücken, die Bach für Orgel oder ein Cembalo bearbeitete, sowohl eigenen also auch solchen anderer Komponisten: ein Konzert für zwei Violinen und Streicher Antonio Vivaldis etwa, Streicher-Konzerte des Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar, Kammermusik von Bachs Hamburger Vorbild Johann Adam Reinecken. Alles hier eingerichtet für zwei Cembali. Transkriptionen von Bearbeitungen von Transkriptionen also, mehrfach gespiegeltes, verwirrenden Metamorphosen unterzogenes musikalisches Material. Darf man das? Und/oder: bringt's das?
Man darf, und ja, das bringt's allemal. Wenn man es so fulminant tut wie Sempé und sein musikalischer Bruder im Geiste, der junge kanadische Cembalist Olivier Fortin. Traumverloren wild ist, was die beiden Schwarmgeister hier mit dem Schwarmgeist Bach anstellen, intelligent und enthusiastisch zugleich. Gerade das oft minimal nicht ganz exakte Zusammenspiel, eines von Sempés faszinierenden cembalo-ästhetischen Grundprinzipien, entfesselt diese Musik. Arpeggien wie aus schimmernder Seide, Tonleitern wie Feuerwerkskörper, Akkorde, die in die Tiefe des Universums nachhallen zu scheinen. Elementar, expansiv, jubelnd, weinend, keine einzige beiläufige Note. Wer will und es verträgt, gibt sich das alles in einer einzigen großen rauschhaften Session. Dass Bachs Musik nicht zu Sempés Kern-Repertoire gehört, habe ich vorhin gesagt. Diese CD lässt dringend hoffen: Noch nicht.
Skip Sempé und Olivier Fortin, Cembalo
Label: Paradizo