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CD - John Cage "Klang der Wandlungen"

Ein ganzes Leben lang hat John Cage damit zugebracht, die Musikwelt zu verblüffen, zu provozieren und zu revolutionieren. In das Allerheiligste der klassischen Musik, das Klavier, steckte er profane Dinge wie Schrauben und Radiergummis.

CD-Cover: John Cage - "Klang der Wandlungen" | Bildquelle: Edition RZ

Bildquelle: Edition RZ

Der CD-Tipp zum Anhören

Während seine europäischen Kollegen mit verbissenem Ernst jede Note aus komplizierten Formeln ableiteten, hat Cage fröhlich gewürfelt oder das chinesische Orakel befragt. Und mit seinem berühmtesten Stück, "4’33", hat er auch noch das Rascheln im Publikum zur Musik erklärt. Für die Darmstädter Schule um Stockhausen und Boulez war John Cage der Klassenkasper. Doch dann, gegen Ende seines Lebens, hat der Störenfried aus den USA plötzlich die Schönheit wiederentdeckt.

Keine Takte, keine Partitur, kein Dirigent

Gelassenheit, Ruhe und Weisheit strahlt etwa ein Orchesterwerk aus, das den simplen Titel "Seventy-Four" trägt - weil 74 Musiker daran beteiligt sind. Es ist eines der letzten Werke, die John Cage komponiert hat. Seinem Freund, dem Zufall, ist er dabei bis zu seinem Tod 1992 treu geblieben. Es gibt in diesen späten Stücken keine Takte, keine Partitur, keinen Dirigenten. Stattdessen eine Digitaluhr und sogenannte "time brackets": Jeder Musiker soll innerhalb eines gewissen Zeitrahmens selbst entscheiden, wann er seinen Ton beginnt und wann er ihn beendet. So entsteht Musik, die aus der Stille kommt und wieder in die Stille zurückgeht.

Meditativ getönte Spannung

Mit anderthalb Stunden Dauer ist das Orchesterwerk "103" das längste von John Cage. Ungefähr eine Note pro Minute hat jeder Musiker zu spielen, nicht gerade viel - aber weil es 103 Instrumente sind, kommt dennoch keine Langeweile auf, eher eine Art meditativ getönte Spannung.

Cages poetische Seite

Die beiden späten Orchesterwerke, gespielt von den Klangkörpern des WDR und des SWR, gehören in ihrer Intensität und Schlichtheit zum Besten, was John Cage je komponiert hat. Weil sie nicht nur durch eine originelle Idee überzeugen, sondern auch durch ihre sinnliche Gestalt. Eher von historischem Interesse sind dagegen die älteren Solostücke für Harfe und für Orgel, die die CD-Box komplettieren. Die zufallsgesteuerte Orgelbearbeitung eines amerikanischen Choralbuchs zum Beispiel wirkt heute schon etwas angestaubt; immerhin aber ist der Konzertmitschnitt aus dem Jahr 1990 mit dem Organisten und Komponisten Jakob Ullmann zugleich ein Dokument des ersten Besuchs von John Cage in Ost-Berlin. Und in dem federleichten Harfenstück "In a Landscape" von 1948, gespielt von Gabriele Emde, kann man staunend die poetischen Seite des jungen Cage entdecken. Der war eben, wenn er wollte, doch nicht bloß der Klassenclown, sondern: ein Klassiker.

John Cage - "Klang der Wandlungen"

"Seventy-Four" für Orchester
"103" für Orchester
"Postcard from Heaven" für 1-20 Harfen
"In a Landscape" für Klavier oder Harfe
"Some of The Harmony of Maine" für Orgel und 6 Assistenten

Jakob Ullmann (Orgel)
Gabriele Emde (Harfen)
WDR Sinfonieorchester Köln
Leitung: Arturo Tamayo
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Leitung: Jonathan Stockhammer

Label: Edition RZ

Sendung: "Leporello" am 07. Dezember 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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