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CD - Jonathan Harvey "Deo" - geistliche Chormusik

Er war der Mystiker der modernen Musik: Jonathan Harvey begab sich zeitlebens auf die Suche nach unerhörten Klängen und nach religiöser Erkenntnis.

Bildquelle: Signum

CD-Tipp 20.05.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Zwar war Harvey durch und durch Avantgardist, beeinflusst von Stockhausen und vom Spektralismus. Doch selbst wenn er elektronische Musik komponierte, war diese Ausdruck seines spirituellen Wegs, der ihn von der anglikanischen Kirche bis zum Buddhismus führte.

"Ich glaube nicht, dass Musik neutral sein kann, auch wenn man sich noch so sehr auf strukturelle Aspekte konzentriert. Musik ist im Grunde menschlich und transportiert damit immer eine Botschaft des Komponisten." (Jonathan Harvey)

Der Klang der Orgel in der dunklen Kapelle seiner Kindheit, seine Jahre als Chorknabe, das gemeinsame Singen während der Messen: das alles hat den jungen Jonathan Harvey geprägt. Und so kehrte er auch später als Komponist immer wieder zu liturgischer Musik zurück, auch als er schon längst intensiv vedische Meditation praktizierte. Der Klang eines Knabenchors in einer großen Kirche spiegelte für ihn das Aufgehen des Einzelnen im Überpersönlichen – so als würde die Kathedrale selbst zu singen beginnen. Der Chor des St John’s College in Cambridge, wo Harvey einst studiert hatte, stellt nun einen Querschnitt aus diesem Schaffensbereich vor: Chor- und Orgelmusik von den frühen experimentellen Stücken bis hin zu jener hell schimmernden Motette über Mariä Verkündigung, die der unheilbar an der Nervenkrankheit ALS erkrankte Komponist kurz vor seinem Tod schrieb.

Warmer, transparenter Chorklang

Die stilistische Bandbreite auf dieser CD ist groß: da gibt es einfache Gebrauchsmusik, die Harvey im Traum gehört hat, bevor er sie niederschrieb; da gibt es die reife "Missa brevis", gespickt mit Zahlensymbolik und trotzdem hochexpressiv; und da gibt es Orgelmusik mit spacigen Tonbandzuspielungen. Ob verinnerlicht oder ekstatisch, ob komplexe Harmonien, Glissandi oder Sprechgesänge - der Choir of St John’s College, Cambridge meistert die vielfältigen Herausforderungen der Partituren souverän und verströmt dabei einen warmen, weiten, aber stets transparenten Chorklang. Einige Stücke hat Dirigent Andrew Nethsingha, der früher eng mit Jonathan Harvey zusammenarbeitete, sogar unter Einbezug des ganzen Kirchenraums wirkungsvoll inszeniert. So ist eine Porträt-CD entstanden, bei der das Licht der Hoffnung noch durch die düstersten Akkorde leuchtet.

"Die Idee des Wegs ist für mich wichtig: dass das Leben ein Weg ist, dass wir alle unterwegs sind. Wir sind nicht im Paradies, umso wichtiger ist es, wenn wir zumindest einen Blick auf das Paradies erhaschen können – selbst wenn wir es nur aus der Entfernung sehen." (Jonathan Harvey)

Jonathan Harvey - "Deo"

"I Love the Lord"
Magnificat/Nunc Dimittis
Toccata für Orgel und Tonband
"Come, Holy Ghost"
"Preaise ye the Lord"
Missa Brevis
"The Royal Banners Forward Go"
"Laus Deo"
The Annunciation

The Choir of of St John’s College, Cambridge
Leitung: Andrew Nethsingha
Edward Picton-Turbervill (Orgel)
Label: Signum

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