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CD - Joseph Jongen Lieder für Sopran und Klavierquintett

Was für eine wunderbare Musik. César Franck und französische Spätromantik, Fin de siècle und Impressionismus lassen grüßen, und doch ging Joseph Jongen stilistisch eigene Wege. Mit einer Ausnahme komponierte Jongen diese zwölf Lieder für Sopran und Klavierquintett in den anderthalb Jahrzehnten zwischen 1902 und 1917, offenbar unbekümmert ob und unbeeinflusst von den umstürzenden Entwicklungen, die die Wiener Kollegen um Arnold Schönberg zeitgleich anstießen. Die Aufgabe der Tonalität wäre Jongen nicht in den Sinn gekommen.

CD-Cover Joseph Jongen: Lieder für Sopran und Klavierquintett | Bildquelle: Musique en Wallonie

Bildquelle: Musique en Wallonie

CD-Tipp 21.02.2017

Der CD-Tipp zum Anhören

Joseph Jongen, 1873 im belgischen Lüttich geboren, gewann mit zwanzig den begehrten Prix de Rome, der ihm eine vierjährige Reise durch Europa ermöglichte, u. a. nach Berlin, Bayreuth und Paris. Jongen lernte Richard Strauss kennen, wurde Schüler von Vincent d’Indy und erhielt nach seinem Aufenthalt in Rom eine Professur in seiner Heimatstadt. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der mit dem völkerrechtswidrigen Überfall des deutschen Heeres auf Belgien begann, war traumatisch. Jongen ging mit seiner Familie nach England, doch der Krieg blieb präsent. Die in diesen Jahren entstandenen Lieder reflektieren das Trauma jedenfalls deutlich, wenn auch subtil, etwa die "Épiphanie des Exils" - "Das Erscheinungsfest der Emigranten" aus dem Jahr 1917. "Bittet für uns, denn unsere Seele ist verbannt. Und für die unseren, die dort draußen frieren, im Schatten und im Frost! Die heiligen drei Könige unserer Länder, sie sind gegangen, wer weiß wohin."

Wunderbar klare Sopranstimme

Der schwere, leicht narkotisierende Duft der Fin-de-siècle-Zeit ist einer schlichteren Harmonik gewichen. Egal ob Jongen von verlassenen Pieren oder einer schwarzen Stadt singt, von den Armen oder dem Zifferblatt einer Uhr, die "die Stunde für niemanden mehr schlägt", über seine Lieder legt sich ein aus Trauer, gelegentlich auch Resignation gewebter Schleier, als sei da jemand auf der Suche nach einem musikalischen Paradies, das er selbst für verloren hält. Daran scheint auch die Rückkehr in die Heimat, wo Jongen Professor und Direktor am Brüsseler Konservatorium war, wenig geändert zu haben. Die 1948 entstandene Vertonung des Baudelaire-Gedichtes "La musique", eines der allerletzten Werke, lässt sich mühelos als melancholischer Abgesang auf das eigene Schaffen hören. Doch die fast unwirkliche Schönheit seiner Musik wirkt unverändert. Die französische Sopranistin Claire Lefilliâtre ist vor allem als exzellente Interpretin der Musik des Frühbarock bekannt. Sie lässt den Hörer mit ihrer wunderbar klaren, schlank geführten Stimme tief in diese traumschöne Welt des frühen 20. Jahrhunderts eintauchen. Oxalys unterstreicht seinen Rang als eines der derzeit führenden Kammermusikensembles überhaupt und erweist dem belgischen Landsmann Jongen mit diesen Ersteinspielungen erneut einen echten Liebesdienst.

Joseph Jongen: Lieder für Sopran und Klavierquintett

Claire Lefilliâtre (Sopran)
Oxalys

Label: Musique en Wallonie

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