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CD – Kim Kashkashian spielt "Arcanum" - Auerbach und Schostakowitsch

Als Dmitri Schostakowitsch im Mai 1933 seine 24 Präludien für Klavier op. 34 selbst uraufführte, war er 26 Jahre alt. Seine Oper "Lady Macbeth von Mzensk" war vollendet, aber noch nicht gespielt, von seinen 15 Symphonien lagen nur die ersten drei vor. Die Präludien op. 34 sind also Frühwerke, von denen die kürzesten weniger als eine, die längsten kaum mehr als zwei Minuten dauern.

CD-Cover: Kim Kashkashian - "Arcanum" | Bildquelle: ECM

Bildquelle: ECM

CD-Tipp, 13.10.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Dennoch sind diese 24 Miniaturen in allen Tonarten weit mehr als nur kühl neoklassizistische Nebensächlichkeiten. Vielen verlieh der junge Schostakowitsch einen expressionistischen Tonfall, der sie mehr zu existentiellen Nachspielen denn zu verspielten Präludien macht. Die Transkription für Viola und Klavier, die die russische Komponistin und Pianistin Lera Auerbach 2010 schuf, verstärkt diesen Eindruck massiv. Auch wenn der hintersinnige Humor, der in dem halbstündigen Zyklus immer wieder durchscheint, keineswegs verloren geht, so überwiegt doch stärker noch als im Original eine nachdenklich dringliche Ausdruckstiefe. Auerbachs Bearbeitung betont die Fallhöhe emotionaler Wechselbäder. Das hat viel mit dem Klang der Viola zu tun, ganz speziell mit den Klangfarben, die die wunderbare Kim Kashkashian ihrem Instrument entlockt.

Herbe und ausdrucksstarke Sonorität

Wenn Kim Kashkashian den Klang der Viola geheimnisvoll nennt und davon überzeugt ist, mit ihrem Instrument ließen sich die Dinge nicht wirklich klar aussprechen, es verleihe vielmehr einer inneren Stimme Ausdruck, dann ist das alles andere als dunkles Geraune. Es beschreibt vielmehr recht präzise den klanglichen Eindruck, den das Spiel dieser großen Musikerin hinterlässt. Die so unterschiedlichen Ausdruckswelten der 24 Präludien durchschreitet Kashkashian mit einer dunkel timbrierten, herben und ausdrucksstarken Sonorität, zugleich mit einem riesigen Spektrum an Klangfarben. Kein Wunder, dass dieser Klang Lera Auerbach so faszinierte, dass Sie Kim Kashkashian 2013 eine viersätzige Sonate auf den Leib schrieb und auch widmete – mit dem geheimnisvollen Titel "Arcanum".

Zwei großartige Repertoireerweiterungen

"Arcanum steht für ein Geheimwissen, das wir nicht rational zu fassen vermögen", meinte die 1973 geborene Komponistin in einem Interview. Arcanum setze sich mit dem Tod auseinander, mit den Fragen nach dem Jenseits, denen sich jeder Mensch stellen müsse. Damit mag Auerbach etwas geheimnisvoll orakeln, das musikalische Resultat dieser Überlegungen aber ist ein über vier Sätze hinweg hochgradig beeindruckendes und vielschichtig komplexes Werk, dem man 22 Minuten lang gebannt lauscht und folgt. Kim Kashkashian spielt es mit aller Hingabe und Expressivität, aller technischen Virtuosität und klanglichen Nuanciertheit, die sich eine Komponistin wünschen kann, Lera Auerbach ist sich selbst am Flügel ohnehin eine exzellente Interpretin. Der Viola hat sie mir ihrer Schostakowitsch-Transkription wie mit ihrer Sonate zwei großartige Repertoireerweiterungen geschenkt.

Kim Kashkashian - "Arcanum"

Dmitri Schostakowitsch:
24 Präludien für Klavier op. 34 (arr. für Viola und Klavier von Lera Auerbach)
Lera Auerbach:
"Arcanum" - Sonate für Viola und Klavier

Kim Kashkashian (Viola)
Lera Auerbach (Klavier)
Label: ECM New Series

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