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CD - Krystian Zimerman spielt Klaviersonaten von Schubert

Er gilt als schwierig, aber genial: Der polnische Pianist Krystian Zimerman reist stets mit eigenem Flügel, gibt extrem wenig Konzerte und kann schon mal in Rage geraten, wenn Fans seine Konzerte einfach mit der Handykamera mitfilmen. Lange hat Zimerman keine CD mehr veröffentlicht. Das Interesse der Klavierfans ist jetzt umso größer. Zumal Zimerman zwei sagenumwobene Spätwerke von Franz Schubert eingespielt hat: die beiden letzten Klaviersonaten, entstanden unmittelbar vor Schuberts frühem Tod.

CD-Cover: Krystian Zimerman spielt Schubert | Bildquelle: Deutsche Grammophon

Bildquelle: Deutsche Grammophon

Der CD-Tipp zum Anhören

Schubert, der Wienerische Gemütsmensch - Schubert, der abgründige Schmerzensmann. Zwischen diesen Extremen schwankt das Schubert-Bild. Seine Freunde nannten ihn "Schwammerl" und erinnerten sich nach seinem tragisch frühen Tod hauptsächlich daran, dass er unermüdlich Lieder, Walzer und Ländler für die geselligen Abende beisteuerte. Das ist der biedermeierliche, etwas sentimentale Schubert. Dass dieses verharmloste Schubert-Bild Hochkonjunktur hatte, ist allerdings schon etwas länger her. Längst ist es einem anderen Extrem gewichen: Schubert, der radikale, düstere Prophet der Moderne, der in seinem Spätwerk alle existenziellen Schrecken, alle Zerrissenheit und Abgründe der menschlichen Seele durchleuchtet.

Vermeidung emotionaler Übertreibungen

Ganz sicher ist dieses Bild näher an der Wahrheit. Und es ist natürlich gut, dass der weichgezeichnete, bräsige Schönklang-Schubert vergangener Jahrzehnte aus der Mode gekommen ist. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. In den letzten Jahren häufen sich Interpretationen, die ins andere Extrem fallen. Da muss dann aus noch aus dem charmantesten Ländler auf Teufel komm raus ein verkappter Totentanz destilliert werden. Jede melancholische Anwandlung wird gleich zur schweren Depression inklusive Todesahnung, jede muntere Achtelbegleitung zur manischen Flucht, und in jeder Tonwiederholung hört man schon das bedrohliche Pochen der Knochenhand.

Spätwerke eines Kräftigen

Der polnische Pianist Krystian Zimerman hebt sich wohltuend davon ab. Zimerman, einer der großen Pianisten der Gegenwart, hat sich mit seiner Schubert-Einspielung viel Zeit gelassen. Seit mehr als 30 Jahren spielt er diese Musik. Kurz vor seinem 60. Geburtstag hat er sich endlich dazu entschlossen, eine Art Summe seiner Erfahrungen zu ziehen. Die beiden letzten Sonaten Franz Schuberts werden gern als Testament mystifiziert. Dabei war Schubert, wie Zimerman im Booklet schreibt, zwar bereits an der Syphilis erkrankt, aber durchaus noch bei Kräften, als er diese Werke komponierte. Schließlich legte er die 50 Kilometer von Wien nach Eisenstadt, wo er Blumen an Haydns Grab niederlegte, zu Fuß zurück.

Zwischen Licht und Schatten

Zimerman tappt also nicht in die Schmerzensmann-Falle. Gesangliche Linien dürfen aufblühen, die Scherzi ihren tänzerischen Charme entfalten. Erst so bekommen die düsteren, traurigen und abgründigen Momente die notwendige Fallhöhe. Schuberts Musik lebt vom ständigen Spiel zwischen Licht und Schatten, vom Changieren zwischen Dur und Moll - wobei manchmal das Dur paradoxerweise fast trauriger wirken kann als das Moll.

Modifizierter Klavierklang

Seinen Steinway-Flügel hat Zimermann extra für seine Schubert-Interpretation leicht umbauen lassen: Die Filzhämmer schlagen die Saiten an einer etwas anderen Stelle an als gewöhnlich. Das verringert den nötigen Kraftaufwand, macht den Anschlag etwas leichter, den Klang dafür etwas dunkler, was Zimermans Klavierton besonders gesanglich macht. So liegt meist ein mildes, abgeklärtes Licht über der Musik. Souverän vermeidet Zimerman alle vordergründigen Extreme. Dafür dringt er umso tiefer ein in den unendlichen Reichtum an Zwischentönen, die Schuberts Seelenwelten emotional so berührend machen.

Krystian Zimerman spielt Schubert

Franz Schubert:
Klaviersonate A-Dur D 959
Klaviersonate B-Dur D 960

Krystian Zimerman (Klavier)

Label: Deutsche Grammphon

Sendung: "Leporello" am 25. September 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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