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Der CD-Tipp zum Nachhören!
Guillaume Dufay, Johannes Ockeghem und Josquin de Près: wenn es um die großen Komponisten des 15. Jahrhunderts geht, dann fallen schnell diese drei Namen. Dufay - der Pionier, Ockeghem - der Wegbereiter, Josquin der Veredler. Allzu achtlos werden andere zeitgenössische Komponisten dagegen auf die hinteren Plätze der musikgeschichtlichen Ahnengalerie abgeschoben, Loyset Compère zum Beispiel. Zu unausgegoren in den technischen Mitteln, zu ungestüm in den musikalischen Ideen so der Vorwurf seiner Kritiker.
Als der Komponist Johannes Ockeghem 1497 stirbt, ehren ihn viele seiner Schüler mit musikalischen Nachrufen. Der wohl berühmteste Klagegesang stammt aus der Feder von Josquin de Près. Der gilt bis heute als die zentrale Figur der francoflämischen Vokalpolyphonie. Die vorige Generation um Ockeghem rückte in die nicht weniger wichtige Rolle der Wegbereiter. Josquins Zeitgenosse Loyset Compère dagegen wird oft erst in zweiter Reihe genannt. Zu unausgegoren in den technischen Mitteln, zu ungestüm in den musikalischen Ideen so der Vorwurf seiner Kritiker. Die Zeitgenossen sahen das wohl anders: In seinem Klagegesang auf Ockeghems Tod zählt Josquin die wichtigsten Musiker seiner Zeit auf, darunter sich selbst und: Loyset Compère. Zu Recht, wie die jüngst veröffentlichte CD des Orlando Consort unterstreicht.
Wie David Fallows im aufschlussreichen Begleittext erklärt, hat die Musikwissenschaft die Lebensdaten einiger zentraler Figuren der francoflämischen Vokalpolyphonie unlängst korrigiert. Josquin de Près ist demnach nicht wie bislang angenommen gegen 1440 geboren, sondern mindestens zehn Jahre später. Wenn Josquin sich also die Verfeinerung und Perfektionierung des polyphonen Stils auf die Fahnen schreiben darf, so muss die Rolle von Loyset Compère neu definiert werden: Er ist kein x-beliebiger, zu vernachlässigener Zeitgenosse Josquins. Vielmehr war er als Wegbereiter maßgeblich an der Entwicklung des neuen Stils beteiligt.
20 Jahre nach seiner ersten Compère-CD widmet sich das Orlando Consort nun also unter veränderten Vorzeichen dem Werk des Mitte des 15. Jahrhunderts geborenen Komponisten. Dem Ensemble gelingt ein repräsentativer Querschnitt durch das Repertoire und die Schaffensphasen von Loyset Compère. Schnörkellos und klangrein sind die Aufnahmen - Puristen des Genres kommen auf ihre Kosten: keine der derzeit achso beliebten jazzigen Cross over-Versuche oder kühnen Instrumentierungsmaßnahmen. Nur drei beziehungsweise vier Männerstimmen im perfekt verschmelzenden a capella-Satz. Manchmal wirkt die Interpretation beinahe zu formschön und geradlinig. Gerade die frivolen Chansontexte könnten bisweilen einen frecheren Ton vertragen, wie er bei Ung franc archier durchblitzt:
Das hauptsächlich weltliche Repertoire wird eingerahmt von zwei Sakralmusikwerken: einem monumentalen Magnificat zu vier Stimmen und der Compère lediglich zugeschriebenen Motette O bone Jesu. Die Motette klingt deutlich homophoner als die streng imitatorischen Chansons. Als Komponisten kommen neben Compère allerdings auch die Spanier Juan de Anchieta, Francisco de Peñalosa und António de Ribeira in Frage. Auch wenn die Zuordnung zweifelhaft bleibt, für die Compère-Kompilation ist das Stück in jedem Fall ein Gewinn.