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CD - Marc-André Hamelin spielt Klaviermusik von Schubert

Der kanadische Pianist Marc-André Hamelin gilt als Fachmann für virtuoses und unbekanntes Repertoire. Spätromantische Schlachtrösser bereiten ihm scheinbar keine Mühe. Seit Jahrzehnten spielt er aber auch Schubert im Konzert. Doch erst jetzt ist Hamelin für sein neues Soloalbum erstmals mit Schuberts Klaviermusik ins Aufnahmestudio gegangen. Vier Impromptus und die letzte Klaviersonate hat er eingespielt.

CD-Cover: Marc-André Hamelin spielt Schubert | Bildquelle: Hyperion

Bildquelle: Hyperion

Der CD-Tipp zum Anhören

Liedhaft, ja gelassen beginnt Schuberts letzte Klaviersonate in B-Dur. "Molto moderato" – so die Spielanweisung. Marc-André Hamelin nimmt sie beim Wort und achtet dabei auf scheinbar Nebensächliches, Vorbeihuschendes.

Subtile und bewusst gestaltete Details

Dieses Grummeln im Bass, dieser leise Triller in der linken Hand nach wenigen Takten tritt kaum in Erscheinung und ist doch entscheidender Vorbote für Kommendes. Marc-André Hamelin spielt ihn verhalten, geheimnisvoll und klanglich kontrastierend in der melodischen Umgebung.
Es sind mehrere solcher subtilen und sehr bewusst gestalteten Details, die diese Aufnahme interessant und aufregend machen. Wenn etwa der tiefe Anfangstriller nach knapp sechs Minuten ein einziges Mal im Fortissimo wiederkommt, wiederholt Hamelin den ersten Teil – die Exposition – was nur wenige seiner Kollegen machen. Die gelassene Stimmung des Beginns erscheint allein dadurch in einem anderen, neuen Licht.

Blick nach innen

Natürlich kann man sich fragen: Warum noch eine weitere CD mit diesem Schubert´schen Spätwerk? Viele berühmte Kollegen haben sich daran abgearbeitet und Referenzeinspielungen vorgelegt, darunter Alfred Brendel, Swjatoslaw Richter, Andras Schiff oder Maurizio Pollini. Aber schließlich geht es auch darum, Interpretationsgeschichte fortzuschreiben und immer wieder gegenwärtig zu machen. Und wenn man es so tut wie Marc-André Hamelin, werden neue Maßstäbe gesetzt und die zeitlose Ausdrucksqualität dieser Musik einmal mehr unterstrichen. Das Bemerkenswerte dabei: Hamelin gilt als Tastenlöwe, der immer wieder gerne vergessen lässt, dass ein Pianist auch nur zehn Finger hat. Allzu selbstverständlich geht ihm atemberaubend Virtuoses aus der Hand. Nun hilft aber ausgerechnet bloße Virtuosität bei keinem Komponisten weniger als bei Schubert. Das ist Hamelin offensichtlich bewusst. Er richtet seinen Blick hier nach innen, macht nicht zu viel und nicht zu wenig, verzichtet also auf extreme Ecken oder Kanten. Unglaublich abgestuft gestaltet er dynamische Kontraste, dosiert den Klang und behält dabei immer das große Ganze im Auge, den formalen Zusammenhang.
Neben die letzte Klaviersonate stellt Marc-André Hamelin auch die vier Impromptus D935, die Schubert ein Jahr zuvor komponiert hat.

Musikalischer Geschichtenerzähler

Egal, ob Sonate oder Impromptus: Hamelin bringt die unterschiedlichen musikalischen Charaktere zusammen, spannt einen Bogen, ist sensibler und doch bescheidener musikalischer Geschichtenerzähler. Dieser fürs "Schwere" und Spätromantische bekannte Pianist hat sich damit auch als faszinierender Schubert-Interpret etabliert.

Marc-André Hamelin spielt Schubert

Franz Schubert:
Klaviersonate  B-Dur, D 960
Vier Impromptus D 935, op. 142

Marc-André Hamelin (Klavier)

Label: Hyperion

Sendung: "Piazza" am 7. Juli 2018, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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