BR-KLASSIK

Einen "Wald" nennt Claudio Monteverdi diese Sammlung geistlicher Werke, die er gegen Ende seines Lebens 1640 veröffentlichte: die "Selva morale e spirituale". Sie enthält fast 40 Werke. Die "Selva morale" ist eine Art musikalisches Vermächtnis und soll die gesamte Bandbreite von Monteverdis Können zeigen. Logisch, dass auf dieser CD mit dem Balthasar Neumann Chor und Ensemble nur ein Teil davon Platz findet. Der allerdings ist sorgfältig ausgesucht, mit einem überzeugenden dramaturgischen Bogen, bei dem die einzelnen Stücke durchgängig attacca aneinandergefügt werden.

Bildquelle: Harmonia Mundi

Der CD-Tipp zum Anhören

Anfang und Ende bilden die in Instrumentierung und Anlage ähnlichen "Dixit Dominus secondo" und das "Magnificat primo". Zwischen diesen beiden Eckpfeilern findet sich eine repräsentative Auswahl der Madrigale, Psalmvertonungen und Hymnen, das dreiteilige Credo der "Missa da capella" und auch die faszinierende Solomotette "Jubilate in dialogo".

Differenziert und detailreich

Was macht nun gerade diese Einspielung zum Ende des Monteverdi-Jahrs zu seinem krönenden Abschluss? Ist es die elastisch-flotte, gleichzeitig so feierlich-auskostende Musizierhaltung? Ist es die große Homogenität von Stimmen und Instrumenten, die doch so differenziert und detailreich daherkommt, ohne dass sich einzelne Details in den Vordergrund drängen? Sind es die perfekte Intonation, die Berücksichtigung neuester Erkenntnisse der musikhistorischen Forschung? Die technisch und klanglich hervorragende Aufnahme? Sind es Monteverdis dramatische, immer inhaltlich motivierte Kontraste, die so adäquat umgesetzt werden? Sind es die Solisten, die in ihren Rollen überzeugen und sich doch nahtlos in den Chor integrieren? Sind es die beeindruckend sauberen Figurationen auch beim chorischen Singen? Oder die rhythmische Auffassung, die diese Musik an den richtigen Stellen subtil zum Schwingen bringt?

Unpathetisch, aber ergreifend

Dirigent Pablo Heras-Casado verwirklicht mit der "Selva morale e spirituale" ein Herzensprojekt. Neben allen benennbaren Qualitäten ist es letztlich das singuläre Genie Monteverdis, das sich hier von Angesicht zu Angesicht vermittelt. Das ist auf eine ganz unpathetische Art ergreifend und zum Weinen schön. Da scheint es fast vermessen darauf hinzuweisen, dass Heras-Casado und der Balthasar Neumann Chor und Ensemble im Herbst bereits mit einem weiteren Programm aus Monteverdis "Selva morale" aufgetreten sind. Aber egal, ob die Einspielung fortgesetzt wird: Diese CD ist für die Insel.

Sendung: "Leporello" am 12. Dezember 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK