2014 erinnern zahlreiche Veranstaltungen, Gedenkprojekte, Konzerte und Ausstellungen an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und an die Millionen Opfer dieser "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts". Dänemark blieb damals zwar neutral und damit vom Krieg verschont. Aber natürlich trieb das Entsetzen auch die Menschen dort um, und erst recht die Künstler! So reflektierte der dänische Komponist Carl Nielsen das Grauen unüberhörbar in seiner vierten und fünften Symphonie - die beiden Werke entstanden während und nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.
Bildquelle: BIS
CD-Tipp 29.04.2014
Carl Nielsen: Symphonien Nr. 4 und 5
Sie handeln von existenziellen Kämpfen und dem Glauben an das "unauslöschliche" Leben. Der 1965 in Helsinki geborene Sakari Oramo, Chefdirigent beim Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, hat die beiden Symphonien von Carl Nielsen jetzt mit seinen Musikern für das schwedische Label BIS in Surround-Qualität eingespielt.
Wild, furios, aufwühlend beginnt Carl Nielsens Vierte Symphonie - wie ein komponiertes Ausrufezeichen! Bedrohliche Untertöne brechen sich Bahn. Das zwischen 1914 und 16 entstandene Werk lebt von schroffen Kontrasten und harten Schnitten. Eine Musik am Abgrund hat Nielsen in seiner Vierten Symphonie komponiert. Die Idylle ist permanent bedroht und wird durch grelle Störmanöver nachhaltig beschädigt. Auf das pastorale Holzbläser-Intermezzo des zweiten Satzes folgt ein Mahler-nahes Adagio. Das Herzstück der Vierten Symphonie, Musik unter emotionaler Hochspannung.
In seiner bestechenden Neuaufnahme der Vierten Symphonie von Nielsen schafft es der Dirigent Sakari Oramo, das faszinierend Disparate der Partitur herauszustellen - und gleichzeitig in einen organischen Gesamtverlauf zu integrieren. Dabei helfen ihm seine exzellenten Musiker vom Royal Stockholm Philharmonic Orchestra ebenso wie die brillante Klangregie. Die Dynamik dieser SACD ist weit gestaffelt, zarte Bläsersoli kommen berückend zur Geltung, das satte Blech klingt samtig weich - und das brutale Pauken-Duell im Finale ist packend in Szene gesetzt.
Als Hymne an das Leben, an die menschliche Willenskraft verstand Nielsen seine Vierte Symphonie mit dem Beinamen "Das Unauslöschliche". Das Erfolgsstück wurde zu einem Meilenstein der nordischen Symphonik. Auf Unverständnis stieß dagegen die fünfte Symphonie bei ihrer Uraufführung 1922 in Kopenhagen. Zu kakophon erschien den Zeitgenossen das sperrige Werk mit seiner zweisätzigen Großform. Und auch hier klingt der Schrecken des Krieges nach, wenn die kleine Trommel im ersten Satz unerbittlich die Marschrichtung vorgibt.
Mit rhythmischer Präzision, berstender Vitalität und einem ausgeprägten Sinn für die vegetativen Verläufe dieser bizarr wuchernden Musik gelingt Sakari Oramo ein starkes Plädoyer für Nielsen. Wie in der Vierten Symphonie machen er und die Stockholmer Philharmoniker auch in der Fünften illusionslos klar, dass der Triumph am Ende ein qualvoll errungener Sieg ist.
Symphonie Nr. 4 op. 29 "Das Unauslöschliche"
Symphonie Nr. 5 op. 50
Royal Stockholm Philharmonic Orchestra
Leitung: Sakari Oramo
Label: BIS