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CD - Paavo Järvi dirigiert Brahms Symphonie Nr. 2, Ouvertüren

Für Beethoven waren sie ein Dream-Team: Paavo Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Die Gesamteinspielung aller neun Symphonien mit ihrem Biss, ihrem schlanken Klang und ihren kompromisslos durchgezogenen, rasanten Tempi hat Aufnahmegeschichte geschrieben. Für mich persönlich gehört sie den allerbesten. Nun machen sich Järvi und die Kammerphilharmonie an einen Zyklus der vier Symphonien von Johannes Brahms, beginnend mit der Zweiten. Und man fragt sich, wenn man die CD zur Hand nimmt, ob Järvis Erfolgsrezept wohl auch bei Brahms funktioniert.

CD-Cover: Paavo Järvi dirigiert Brahms | Bildquelle: Sony Classical

Bildquelle: Sony Classical

Der CD-Tipp zum Anhören

Paavo Järvi dirigiert Brahms

Was dafür spricht: Beethoven war für Brahms das überlebensgroße Vorbild. An ihm und keinem anderen, das stand für Brahms unumstößlich fest, muss sich jeder Symphoniker messen. Zeitweise fühlte er sich dadurch wie gelähmt. War Brahms also ein rückwärtsgewandter Komponist? Muss man ihn ganz aus dem Geist der Wiener Klassik verstehen? Inspiriert von der historischen Aufführungspraxis, gibt es eine Reihe von Brahms-Einspielungen, etwa die von John Eliot Gardiner, welche ihn in diesem Sinn als Klassizisten deuten - mit straffen Tempi, unsentimentalem Klang, entschlackt und auch ein wenig unterkühlt. Wer vermutet, dass nun auch Järvi Brahms eine solche Abmagerungskur verordnet, wird überrascht.

Beseelt von überströmender emotionaler Wärme

Klar, Järvi setzt auch hier wieder auf sein Markenzeichen, den transparenten, durchsichtigen Klang. Kaum Vibrato in den Streichern, markante Bläsersätze. Aber, und das macht seine Interpretation der Zweiten Symphonie so überzeugend, er gönnt dieser Musik zugleich auch all die Weiträumigkeit und Gefühlstiefe, die sie zu einem der absoluten Höhepunkte der musikalischen Romantik macht. Denn trotz seiner Traditionsverbundenheit war Brahms alles andere als ein trockener Klassizist. Und er hat, bei aller Beethoven-Verehrung, eben doch etwas absolut Neues und Zukunftsweisendes geschaffen, eine eigene symphonische Welt. Järvi, das hört man gleich in den ersten Takten, ist fest entschlossen, sie in ihrer unvergleichlichen Individualität zu erforschen. Vorurteilslos, mit dem Wissen um das kompositorische Niveau der Wiener Klassik, dem sich Brahms verpflichtet fühlte, zugleich aber beseelt von überströmender emotionaler Wärme.

Magische Momente

Mucksmäuschenstill wird man gleich zu Beginn - man wagt kaum zu atmen, wenn Järvi das Pianissimo bis an die Schwelle des kaum noch Hörbaren ausreizt. In solchen magischen Momenten gönnt er der Musik durchaus Raum, scheut er auch vor einer Verbreiterung des Tempos nicht zurück, um dann, bei energiegeladenen symphonischen Entwicklungen, das Geschehen wieder entschlossen voranzutreiben. Diese tief in der Aufführungstradition des 19. Jahrhunderts verwurzelten Temposchwankungen sind deshalb so zwingend, emotional glaubwürdig und mitreißend, weil sie nie bloß subjektiv wirken, sondern immer in der Dynamik der Form begründet sind.

Kalkulierter Rauschzustand

Herausragend ist auch die Orchesterleistung der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Der Klang ist zugleich schlank und warm, durchsichtig und atmend. Die Musiker reagieren mit Sensibilität und größter Präzision. Und im Finale lassen sie sich von Järvi in eine Art kalkulierten Rauschzustand versetzen, der, auf mich zumindest, absolut ansteckend wirkt. Schon jetzt freue ich mich auf die nächsten Folgen dieser Gesamteinspielung.

Paavo Järvi dirigiert Brahms

Johannes Brahms:
Symphonie Nr. 2 D-Dur, op. 73
Tragische Ouvertüre, op. 81
Akademische Festouvertüre, op. 80

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Leitung: Paavo Järvi

Label: Sony Classical

Sendung: "Leporello" am 17. Oktober 2017, 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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