BR-KLASSIK

Bildquelle: ARCANA

Der CD-Tipp zum Nachhören

Orpheus - der mythische Sänger, der durch seinen Gesang die Naturgewalten zähmte und die Herzen der Götter erweichte. In der Renaissance stand er für das Ideal des antiken Sängers und Rhapsoden, der sich selbst auf der Lyra begleitete. Diesem Ideal eiferte um 1600 eine Gruppe von Literaten und Musikern am Hof der Medici in Florenz nach, zu der auch Jacopo Peri und Giulio Caccini gehörten.

Kern der Oper

Im Mittelpunkt stand die Frage, wie man dem orpheischen Ideal wieder nahe kommen, wie man die griechische Kunstform der Mousiké aus Dichtung, Gesang und Tanz wieder aufleben lassen kann. Caccini und Peri wussten: Die traditionelle Kompositionstechnik ihrer Zeit basierte auf einem polyphonen Satz aus gleichberechtigten Stimmen - damit wäre das nicht zu bewerkstelligen. Die antiken Quellen hingegen berichteten von einem Gesang, der an Sprachmelodie und -rhythmus angelehnt ist. Diese Form musikalischer Rezitation versuchten Peri und Caccini mit ihrem "stile recitativo" nachzuahmen. Er wurde zum Kern einer neuen dramatischen Gattung, die heute nicht mehr aus unserem Musikleben wegzudenken ist: der Oper.

Aus dem Geist der Antike

Mit dem "stile recitativo" entwickelten Peri und Caccini, die selbst Sänger waren, eine völlig neue Ausdrucksvielfalt für die Stimme. Der französische Bariton Marc Mauillon ist mit allen Finessen des monodischen Gesangs um 1600 vertraut und versteht es, sie auch dem modernen Zuhörer emotional zu erschließen. Dabei kommt ihm sicherlich zugute, dass er zwar in der historischen Aufführungspraxis seit Jahren zu Hause ist, aber auch regelmäßig im klassischen Opern- und Operettenrepertoire von Mozart bis Offenbach zu hören ist. Er weiß, wie stark die europäische Operntradition in der Musik Peris und Caccinis wurzelt, in der Erfindung des rezitierenden Stils aus dem Geist der Antike.