Der frankokanadische Pianist Marc-André Hamelin ist ein Phänomen - nichts ist ihm zu schwer auf dem Klavier. Dabei geht es ihm nie um vordergründige Demonstration von Virtuosität, sie ist ihm nur Mittel zum Zweck. Auf seiner aktuellen Einspielung bleibt Hamelin seiner Entdeckerfreude treu, kombiniert monumentale Klavierkonzerte der befreundeten russischen Pianisten und Komponisten Nikolai Medtner und Sergej Rachmaninow. Perfekte Partner für dieses spannende Projekt sind das London Philharmonic Orchestra und sein Chefdirigent Vladimir Jurowski.
Bildquelle: Hyperion
Der CD-Tipp zum Anhören
Von Anfang an liegt ein Schleier von Melancholie über dem Dritten Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow. Marc-André Hamelin geht die weit ausgreifende Melodie zügig an, da wird nichts ausgewalzt oder weichgespült. Den volksliedhaften Ton trifft er wunderbar schlicht, schnörkellos klar ist sein Anschlag, lakonisch im Ausdruck. Hamelin räumt mit allen Rachmaninow-Klischees auf und bietet statt schaler Sentimentalität echtes Gefühl: Innigkeit, Ehrlichkeit, ja Wahrhaftigkeit. Und die exorbitanten technischen Anforderungen des d-Moll-Konzerts bewältigt Hamelin dank seiner unfassbaren Fingerfertigkeit sowieso mit links. Nicht umsonst bezeichnete Artur Rubinstein dieses mondäne Schlachtross von 1909 einmal als "Elefantenkonzert".
Das könnte man auch über Nikolai Medtners Zweites Klavierkonzert von 1927 sagen, das ähnlich lang, monströs und anspruchsvoll ist. Nur wirkt Medtners c-Moll-Konzert weniger eingängig, kühner und sperriger. Markant und perkussiv meißelt Hamelin die insistierenden Akkorde der einleitenden Toccata in die Tasten. Der zweite Satz, eine Romanze, bietet ihm dann Gelegenheit zu lyrischer Feinzeichnung. In dem Werk verschmilzt Medtner unterschiedliche Einflüsse: Mal nähert er sich stilistisch Rachmaninow, mal Skrjabin. Im rhapsodischen Tonfall der Romanze klingt deutlich ein weiteres Vorbild an: Johannes Brahms.
Die herbe Schönheit von Medtners Musik arbeitet Hamelin mit rhythmischer Energie und klanglicher Raffinesse heraus. Seine Nonchalance findet ihre ideale Ergänzung in dem geistesverwandten Dirigenten Vladimir Jurowski, der sein London Philharmonic Orchestra zu Höchstleistungen anspornt. Außergewöhnliches Repertoire, das die Entdeckung lohnt - zumal wenn es so brillant gespielt wird wie hier!
Nikolai Medtner:
Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 50
Sergej Rachmaninow:
Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30
Marc-André Hamelin (Klavier)
London Philharmonic Orchestra
Leitung: Vladimir Jurowski
Label: Hyperion
Sendung: "Piazza" am 6. Mai 2017, 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK