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CD - Rafael Kubelík Das Vermächtnis auf Deutsche Grammophon

Der Moment, in dem der 75-jährige Rafael Kubelík am 12. Mai 1990 das Podium des Prager Smetana-Saals betrat, um mit der Tschechischen Philharmonie den ersten Prager Frühling nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft zu eröffnen, wird mir unvergesslich bleiben. Bevor der erste Ton erklungen war, sprang das Publikum auf, um mit tosendem Applaus den Mann zu ehren, der 1948 ins Exil gegangen war, weil es ihm unmöglich war, unter einer Diktatur zu wirken. Das tschechische Publikum hatte ihn nicht vergessen, auch nach vier Jahrzehnten mit eiserner Konsequenz durchgehaltener Abwesenheit nicht.

CD-Cover: Rafael Kubelík - Complete Recordings on Deutsche Grammophon | Bildquelle: Deutsche Grammophon

Bildquelle: Deutsche Grammophon

Der CD-Tipp zum Anhören

Mit 64 CDs und zwei DVDs erinnert die Deutsche Grammophon jetzt an Rafael Kubelik. Die wunderbare Edition ist das musikalische Porträt eines Menschen, dessen künstlerische wie charakterliche Integrität, dessen Vielseitigkeit und Offenheit, nicht zuletzt dessen überwältigende Warmherzigkeit keinen Vergleich scheuen müssen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch wenn die 28 Komponisten, denen sich Kubelik auf seinen Schallplatteneinspielungen für die DG widmete, nur ein Ausschnitt seines künstlerischen Vermächtnisses sind, sie runden sich zum Bild eines der ganz großen Dirigenten seiner Zeit. 

Großer Mahler-Zyklus mit dem BRSO

Zu hören ist der in vielem noch heute erstaunlich modern wirkende Beethoven-Zyklus, den Kubelik in den frühen 70ern mit neun Orchestern aus sieben Ländern realisierte, die neun Dvorak-Sinfonien mit den Berliner Philharmonikern, Mozart, Schumann oder Wagner, natürlich Janácek und Smetana, aber auch Verdi, die bahnbrechend grandiose Einspielung von Pfitzners Oper "Palestrina", Bartók, Karl Amadeus Hartmann oder Schönberg. Und der große Mahler-Zyklus mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, seinem Orchester, das mit mehr als 40 CDs den Löwenanteil der Box bestreitet. Gewiss, man kann Mahler schneidender, schärfer, kompromissloser ausloten, als Kubelik dies in den späten sechziger Jahren tat. Und doch sind diese Aufnahmen eine Pioniertat in einer Zeit, in der man über Mahlers "Kapellmeistermusik" noch gerne und flächendeckend die Nase rümpfte.

Ungestüme Energie

Kubelik sah Mahler vor allem als bedeutenden musikalischen Repräsentanten seiner böhmischen Heimat, als Melodiker und Urmusikant, wie er selbst einer war. Falsch war dieser Ansatz gewiss nicht, auch wenn er uns nach fünf Jahrzehnten überbordender Mahler-Exegese nicht mehr modern erscheinen mag. Das ändert nichts daran, dass die ungestüme Energie, mit der Kubelik etwa den Kopfsatz der Siebten vorantreibt, auch heute noch unverändert fesselnd wirkt. Ein Großer eben! Wir könnten ihn brauchen, auch heute noch.

Rafael Kubelík - Complete Recordings on Deutsche Grammophon

Werke von Georg Friedrich Händel bis Karl Amadeus Hartmann

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Berliner Philharmoniker
und andere Orchester

Leitung: Rafael Kubelík

Label: Deutsche Grammophon

Sendung: "Leporello" am 08. Juni 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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