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CD - Jean-Philippe Rameau Castor et Pollux

Es gibt Musik, die man nicht überhören kann - nicht überhören darf! In diesem Fall singt jemand ein Klagelied. Im Orchester, genauer: im Fagott, regt sich grenzenloses Mitleid mit der Bühnengestalt. Es ist Télaire, die ihren Geliebten verloren hat. Rameau erweist sich als suggestiver Regulator musikalischer Herzschmerzen, im Zeichen zarter Sinnlichkeit und abgrundtiefer Traurigkeit.

CD-Cover: Jean-Philippe Rameau, Castor et Pollux | Bildquelle: harmonia mundi

Bildquelle: harmonia mundi

CD Tipp 09.06.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

"Ramoneur" ist das französische Wort für "Schornsteinfeger", und "Ramoneurs" hießen früher nicht zufällig auch Anhänger der Musik Rameaus. Hört man eine Oper wie "Castor et Pollux", meint man, der Franzose würde den Kamin der Gattung gründlich reinigen wollen. Viel farbiger als zuvor bei Jean-Baptiste Lully werden Affekte in Klängen gespiegelt, streng und feingliedrig zugleich. Elemente der Oper und des Balletts durchdringen sich, Rezitativ und Arie auch. Alles geht fließend ineinander über. "Die Kunst des Übergangs" beschäftigte nicht erst Richard Wagner, sondern schon Rameau - hundert Jahre zuvor.

Mit dem Ensemble Pygmalion pariert Raphael Pichon die Neugierde, die ihm vom Publikum entgegen gebracht wird. Mühelos modelliert er die eigensinnige Harmonik Rameaus, weiß auch genau, dass jeglicher "Spirit" des Barockmusik-Machens einhergeht mit der Lust am Risiko. Was unsereiner schnell kapiert: Im Dioskurenmythos steckt ein bürgerliches Trauerspiel, das weniger von Göttern, Furien und Höllengeistern handelt als von heutigen Normalsterblichen, ihren libidinösen Träumen, Wünschen, Ängsten, Neurosen und Traumata.

Schlanke Stimmen zeichnen Rameaus Linien in behutsam bebenden Tonfolgen nach. Die größte Entdeckung unter den Sängern ist Sopranistin Emmanuelle de Negri als Télaire. An den Tenor Colin Ainsworth erinnern sich Insider vielleicht: Er war schon in Kevin Mallons zwölf Jahre alter Aufnahme der Oper dabei. Nicht zum ersten Mal gelingt dem Label Harmonia Mundi mit einer Neuproduktion die Bereicherung der französischen Barockdiskografie: auf hohem Niveau!

Jean-Philippe Rameau: Castor et Pollux

Colin Ainsworth, Tenor - Castor
Florian Sempey, Bariton - Pollux
Emmanuelle de Negri, Sopran - Télaire
Clémentine Margaine, Sopran - Phébé
Christian Immler, Bass - Jupiter
Sabine Devieilhe, Sopran - Cléone
Ensemble Pygmalion
Leitung: Raphael Pichon
Label: Harmonia Mundi

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