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CD - Isabelle Faust spielt Schumann Violinkonzert, Klaviertrio Nr. 3

Die CD bildet den Auftakt zu einer kleinen Trilogie: Schumanns Cello- und Klavierkonzert werden folgen mit Melnikov und Queyras als Solisten, gekoppelt jeweils mit einem der 3 Klaviertrios von Schumann.

Bildquelle: harmonia mundi

CD-Tipp 14.03.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Genie und Wahnsinn – die Vorstellung, dass beides nah beieinander liegt, ist populär. Doch Künstler, die ernsthaft psychisch erkranken, hat der romantische Mythos vom wahnsinnigen Genie keineswegs vor Missverständnissen bewahrt. Robert Schumann ist das beste Beispiel dafür. 1854, mit Mitte vierzig, stürzte er sich in Düsseldorf von einer Brücke in den Rhein. Schon länger hatte Schumann unter Halluzinationen gelitten. Nach seinem Selbstmordversuch wurde er in eine Heilanstalt eingewiesen. Ein Jahr zuvor war sein Violinkonzert entstanden. Das Werk eines verkannten Genies? Oder doch das eines psychisch kranken Künstlers? Bis heute treibt die Musikwelt diese Frage um.

Zeugnis für geistigen Zerfall?

Dass es ein sehr eigenwilliges Werk ist, zumindest darüber waren und sind sich alle einig. Ausgerechnet  Schumanns engste Freunde, der Geiger Joseph Joachim, der Komponist Johannes Brahms und Schumanns Frau Clara, sahen in seinem späten Violinkonzert ein trauriges Zeichen für den beginnenden Zerfall seiner geistigen Gesundheit. Zu dritt entschied man, das Werk nicht zu veröffentlichen. Joachim verfügte testamentarisch, dass es nach seinem Tod noch einhundert Jahre im Safe liegen müsse. Zum Glück kam es schon früher ans Licht. 1937 sollte der junge Yehudi Menuhin die Uraufführung spielen. Die Nazis verhinderten das, denn Menuhin war Jude. Und Schumanns Violinkonzert passte den Nazi-Propagandisten gut ins Konzept: Es sollte das populäre Violinkonzert von Felix Mendelssohn ersetzen, dessen Musik wegen seiner jüdischen Herkunft in Nazi-Deutschland nicht gespielt werden durfte. Unglücklicher hätte die Aufführungsgeschichte von Schumanns Violinkonzert also nicht verlaufen können. Wirklich populär ist es nie geworden. Aber einige der besten Musiker lieben das Stück umso leidenschaftlicher. Zu ihnen gehört die Geigerin Isabelle Faust.

Magische Beschwörung

Ihre neue Einspielung ist ein flammendes Plädoyer für Schumanns Violinkonzert. Statt verkrampft zu versuchen, die vermeintlichen Schwächen dieser Musik irgendwie zu überspielen, stellt sie alles, was ungewöhnlich ist an dieser Musik, ganz bewusst in den Vordergrund: Die vielen Wiederholungen entpuppen sich als magische Beschwörung, und wenn die Musik plötzlich auf der Stelle zu treten scheint, dann wirkt das nicht wie in schwächeren Interpretationen als Mangel an Einfällen, sondern als ganz bewusst gestalteter Abgrund: Musik, bei der man den Atem anhält.

Schumanns modernes Spätwerk

Isabelle Faust gehört nicht zu den glamourösen Hochglanz-Künstlern der Klassikszene. Das hat sie auch nicht nötig. Die meisten der von den Major-Labels gehypten, marketing-konformen Jung-Stars stellt sie ohnehin mühelos in den Schatten. Das gilt auch für ihre Mitstreiter: Den Dirigenten Pablo Heras-Casado und das Freiburger Barockorchester. Gemeinsam musiziert man scharfkantig, inspiriert und leidenschaftlich auf Instrumenten der Entstehungszeit. Ergänzt wird diese packende Einspielung durch Schumanns drittes Klaviertrio, ebenfalls ein Spätwerk. Dafür hat sich Isabelle Faust mit dem Cellisten Jean-Guihen Queyras und dem Pianisten Alexander Melnikov zusammengetan. Zu dritt beweisen Faust, Melnikov und Queyras: Schumanns Spätwerke sind kein trauriges Zeugnis seines beginnenden Wahnsinns, sondern schlicht so modern, dass selbst Schumanns enge Freunde sie noch nicht verstehen konnten.

Robert Schumann:

Violinkonzert | Klaviertrio Nr. 3 | Isabelle Faust, Violine | Alexander Melnikov, Klavier | Jean-Guihen Queyras, Violoncello | Freiburger Barockorchester | Leitung: Pablo Heras-Casado |
Label: harmonia mundi

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