BR-KLASSIK

Das erste morgendliche Aufleuchten über der Tundra. Wald, früh am Morgen. Schnee am späteren Morgen. Das sind Bilder, die der 1978 in Chicago geborene Jazzgitarrist Scott DuBois auf seiner CD "Winter Light" zum Klingen bringt. Höchst unterschiedlich sind die Töne, die er dazu gefunden hat – und äußerst spannend.

Bildquelle: ACT

CD-Tipp 11.12.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Die einen mögen es, die anderen nicht: gelenkt zu werden beim Hören – durch konkrete Vorstellungen, die Musik ausdrücken will. Mancher wünscht sich eine "Symphonie fantastique" eher ohne einen Handlungsfaden, andere aber finden gerade diesen hilfreich. Die neue CD des Quartetts von Scott DuBois kann man auch dann hören, wenn man die Musik lieber mit eigenen, vielleicht ganz anderen Bildern anreichert. Und dennoch: Hier ist die vorgegebene Kombination sehr reizvoll.

Soghafte Musik

Scott DuBois, Gitarre, Gebhard Ullmann, Tenorsaxophon und Bassklarinette, Thomas Morgan, Bass, und Kresten Osgood, Schlagzeug: Das ist die Besetzung in dieser faszinierend soghaften Musik. Mit ganz feinen Mitteln werden Stimmungen erzeugt. Sie entwickeln sich oft ganz allmählich, wachsen an nach einer ungefähren  Andeutung. In anderen Stücken sind sie sofort da – und differenzieren sich aus.

Keine Klischees

Das Besondere daran ist: Hier klingt nichts klischeehaft. Nicht nach modischem nordic sound. Nicht nach Hintergrund-Klangmalerei zur Foto-Tapete. Nicht nach dem imaginären Soundtrack zu einer Reisereportage. Sondern: Dieses Quartett aus herausragenden, international bekannten Jazzmusikern spielt hier eine packend eigenständige Musik. Das heißt: eine, die in kein vorgegebenes Raster passt. Und: eine, die auch ganz für sich stehen könnte.

Lust am improvisatorischen Ausdruck

Kompakt und voller Interaktions-Kraft ist das Zusammenspiel dieser amerikanisch-dänisch-deutschen Band, die schon seit 2008 in genau dieser Besetzung CDs veröffentlicht – und dafür auch schon in den Medien gefeiert wurde. Höchst organisch verbinden sich bei diesen vier Musikern das Gefühl für die übergeordnete Form und die Lust am improvisatorischen Ausdruck.

Packend schöne Klanglandschaft

Es ist Musik, in der bei aller Ruhe der zum Teil beschaulichen Bild-Vorgaben viel passiert. Die Kontraste zwischen den einzelnen Stücken sind groß – und stets überraschen die Klänge mit Farben, die noch nicht da waren. Ein Kunstwerk mit äußerst überzeugender Anlage. Und zugleich der Klang einer Band, deren Leader sich nirgends vordrängt, sondern sich ganz in den Dienst des Gesamt-Ausdrucks stellt – das ist keineswegs selbstverständlich und hier besonders auffällig. Und wie man hineingetragen wird, von den ersten Takten dieser CD, in eine packend schöne Klanglandschaft, so tragen einen die letzten auch wieder sanft hinaus. Nacht; Tundra: So könnte sie sein.