BR-KLASSIK

Sänger sind manchmal Stimmakrobaten, Opernsänger zudem Akrobaten der Illusion. Sie müssen im Aufnahmestudio, vor Mikrofonen, Ausnahmezustände emotional übersteuerter Bühnenfiguren nachempfinden bzw. vortäuschen, auch ohne Hilfsmittel wie Kostüm und Maske. Sopranistinnen wie Sonya Yoncheva machen das allem Anschein nach mit einer inneren Beteiligung, dass einem wohlig warm wird – ungeachtet realer Außentemperaturen.

Bildquelle: Sony Classical

CD-Tipp 06.03.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

1981 in Plovdiv zur Welt gekommen und vor allem in der Schweiz ausgebildet, präsentiert Sonya Yoncheva eine glutvoll auftrumpfende Stimme, ohne Diven-Getue. Bei perfektem Registerausgleich variiert sie virtuos ihre Vibrato-Amplitude, lässt die Flamme der Erregung unterschiedlich heftig flackern.
Jules Massenet ist der am stärksten vertretene Komponist des Recitaldebüts von Sonya Yoncheva. Nicht die populären Opern des französischen Spätromantikers begegnen uns hier, nicht "Manon" und "Werther", sondern unpopuläre Arien aus "Hérodiade", "Le Cid" und "Thais". Welche Kostbarkeiten scheinen damit auf! Auch jemand wie "Madame Chrysanthème", eine Heroine von André Messager, verdient Beachtung und Respekt.

"Paris, mon amour" lautet das Motto des Programms, mit dem sich Sonya Yoncheva vor der Musik der Belle Époque verneigt, auch ganz konkret vor der sogenannten "Hauptstadt der Liebe", denn deren heutiges Publikum hat zum Karrierestart der Sängerin nachhaltig beigetragen. Wen wundert es, dass unter den Nobeladressen der internationalen Opernszene während der nächsten Jahre besonders häufig die MET Sonya Yoncheva einlädt? Auf viele Rollenporträts der ehrgeizigen Bulgarin darf man sich in New York freuen, aber auch anderswo.