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CD - Harald Genzmer Werke für Trautonium

Schon vor dem Synthesizer gab es ein Instrument, auf dem sich elektronische Klänge erzeugen ließen: das Trautonium. Ein eigenartiger Kasten, der aussieht, als hätte man ein Keyboard und ein Harmonium miteinander gekreuzt. Eine Art Mini-Orgel, benannt nach seinem Erfinder Friedrich Trautwein. Der hat das Instrument zusammen mit dem Musiker Oskar Sala entwickelt und es 1930 zum ersten Mal öffentlich vorgestellt. Heute beherrscht dieses Instrument fast niemand mehr. Peter Pichler ist da eine große Ausnahme.

CD-Cover: Peter Pichler spielt Trautonium-Musik von Harald Genzmer | Bildquelle: Paladino Music

Bildquelle: Paladino Music

CD-Tipp 20.01.2017

Der CD-Tipp zum Anhören

Die sechs Stücke, die Pichler auf seiner neuen CD mit Stücken für Trautonium eingespielt hat, klingen teilweise nach Weltraum und Science Fiction, dabei sind es Kompositionen des 2007 verstorbenen Komponisten Harald Genzmer - eines Pioniers in Sachen Trautonium. Genzmer war es, der dem seltsamen Kasten mit den vielen Knöpfen und Reglern den Weg in den Konzertsaal geebnet hat. Denn er hat das erste Konzert für Trautonium und Orchester der Welt geschrieben.

Ein Instrument wie eine Schaltzentrale

Auch Genzmers Lehrer Paul Hindemith hat für Trautonium komponiert, genau wie Carl Orff und Paul Dessau. Gespielt wurden all diese Stücke aber so gut wie nie. Denn wo steht schon ein Trautonium herum? Und einfach so kaufen kann man das Instrument auch nicht. Da muss man sich schon selber eins bauen - oder eins bauen lassen. So wie Peter Pichler das getan hat. Er ließ sich, unter anderem, ein Trautonium nach den Plänen von Oskar Sala anfertigen: ein sogenanntes Mixturtrautonium. Sala war über Jahrzehnte hinweg quasi der Einzige, der dieses Instrument virtuos beherrscht hat. Nach Salas Tod im Jahr 2002 hat sich dann niemand mehr so recht rangetraut an dieses Instrument, das so komplex aussieht wie die Schaltzentrale eines Raumschiffs. Lange galt es als unspielbar. Peter Pichler aber zeigt mit seiner CD nun, dass es sehr wohl spielbar ist. Mit viel Herzblut und Übeschweiß tritt er in Salas Fußstapfen. Pichler drückt die beiden Saiten herunter, die das Herzstück des Mixturtrautoniums bilden. Wenn die jeweilige Saite nun die darunter liegende Metallschiene berührt, dann schließt sich ein Stromkreis, weil durch die Schienen ein bisschen Strom fließt. So entstehen die Klänge, die immer leicht neben der Spur und nicht von dieser Welt zu sein scheinen. Ein Beispiel, das sicherlich viele Hörer kennen: Die sinistren Vogelgeräusche aus Alfred Hitchcocks Thriller "Die Vögel" wurden seinerzeit von Oskar Sala auf einem Trautonium eingespielt.

Macht Lust auf mehr

Die Stücke, die für Trautonium geschrieben wurden, sind selbst für versierte Musiker extrem anspruchsvoll. Gerade deshalb ist die CD von Peter Pichler ein seltener und echter Glücksfall. Pichlers Mut jedenfalls hat sich gelohnt. Die CD mit Stücken für verschiedene Besetzungen macht Lust auf mehr Trautonium. Und auch das Booklet stillt die Trautonium-Neugierde: mit Infos zur Geschichte und zur Funktionsweise des Instruments. Außerdem erklärt der Multiinstrumentalist Pichler hier, der auf der CD auch Tuba und Trompete spielt, was das Trautonium für ihn so besonders macht: Es ist die "elektronische Wärme" des Klangs, die ihn fasziniert und nie wieder losgelassen hat. Deshalb sitzt er täglich gut und gerne zehn Stunden am Trautonium. Kein Problem sei das, schreibt Pichler im Booklet. Er betrachte das als elektroakustische Meditation, Rückenprobleme habe er auch noch keine und sowieso sei er gerne mit sich alleine.

Oskar Sala, der große Trautoniumsmeister, ist seit bald 15 Jahren tot. Wie gut, dass nun Pichler da ist und uns diesen Vorläufer des Synthezisers wieder näher bringt. Denn ohne Trautonium hätte es weder Pop-Größen wie Kraftwerk noch Depeche Mode gegeben. Und die Vögel bei Hitchcock hätten nicht annähernd so gruselig geklungen.

Harald Genzmer: Werke für Trautonium

Konzert für Mixtur-Trautonium und Orchester
Suite des danses pour instruments électroniques
Zwei Sonaten für Mixtur-Trautonium und Klavier
Bass-Solo in F-Dur
Capriccio Trautonico

Peter Pichler (Trautonium)
u.a.

Label: Paladino Music

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