Bekannt wurde sie zuerst im Internet – die Pianistin Valentina Lisitsa, die ihre Interpretationen etwa der Musik Chopins, Rachmaninows oder Michael Nymans inzwischen auf CD veröffentlicht. Auf ihrem jüngsten Album "Nuances" widmet sie sich ausgewählten Klavierstücken Alexander Skrjabins, der mit nur 43 Jahren viel zu früh starb und dessen Todestag sich heuer zum 100. Mal jährte.
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CD-Tipp 17.12.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Anders als die meisten der in diesem Jahr erschienenen CDs mit Klaviermusik Skrjabins enthält das Album von Valentina Lisitsa auch einige bisher kaum aufgeführte Jugendwerke dieses so avancierten wie esoterischen Komponisten.
Eine Fuge von Alexander Skrjabin? Valentina Lisitsa widmet sich auf ihrer CD äußerst selten zu hörenden Jugendwerken des russischen Komponisten. Und dass solche Entdeckungen sich lohnen, das zeigt schon die gerade angeklungene Fuge in f-Moll des gerade Sechzehnjährigen, die weit mehr als nur eine akademische Übung ist. Ihre delikaten Harmonien geben schon einen Vorgeschmack auf die besondere Expressivität des späteren Skrjabin-Stils. Mit sensibel-kantablem Anschlag lässt Valentina Lisitsa die Frühwerke des Russen nuancenreich aufblühen.
Auch wenn der Titel von Alexander Skrjabins Polonaise in b-Moll op. 21 noch auf das große Vorbild Chopin verweist, zeigen doch der ausgreifende Klaviersatz und schweifende Gestus hier noch den für Skrjabin ebenfalls bedeutenden Einfluss von Franz Liszt. Bei aller virtuosen Brillanz, macht Valentina Lisitsa in ihrer Interpretation dieser Polonaise auch zartere Farbgebungen eindrucksvoll hörbar. Ganz eigene Töne beginnt der russische Komponist etwa um das Jahr 1903 anzuschlagen, einer Zeit, in der er sich nicht nur mit der Erschließung neuer Klangwelten beschäftigte sondern auch mit der Formulierung seiner mystisch-philosophischen Vision eines ekstatischen Gesamtkunstwerks. Das Poème op.41 des Anfang 30-jährigen steht zwar noch in Des-Dur, changiert aber in einem Geflecht sich chromatisch bewegender Stimmen zwischen unterschiedlichen Tonarten.
Als Mischung aus den verstaubten Archiven Chopins und der Sonne van Goghs beschrieb der russische Schriftsteller Boris Pasternak einmal die Musik seines Landsmanns Alexander Skrjabin. Bei Henry Miller erzeugte sie Empfindungszauber aus Eisbad, Kokain und Regenbogen. Woher kommt die suggestive, geradezu körperliche Reizwirkung dieser Tonsprache, die zwischen träumerischer Sehnsucht und rauschhaften Ausbrüchen schwankt? Skrjabin war nicht nur Komponist, er war zugleich ein Mystiker und Prophet, der die Welt mit seiner Kunst in einen Zustand der Ekstase versetzen wollte. Valentina Lisitsas chronologisch schlüssige Skrjabin-Auswahl enthält auch einige Spätwerke, die wie die Etüde op. 65, 3 aus dem Jahr 1912 die traditionelle Tonalität hinter sich gelassen haben und harmonisch auf einem aus Quarten gebildeten Klangzentrum basieren. Fazit: Zum Ausklang des Skrjabin-Jahres hat Valentina Lisitsa eine so spannend zusammen gestellte wie einfühlsame interpretierte CD mit Klaviermusik des Russen vorgelegt.
Alexander Skrjabin:
Diverse Klavierwerke
Valentina Lisitsa (Klavier )
Label: Decca