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Album der Woche – Musik von Charlotte Sohy Eine Komponistin der Belle Epoque

Sie haben noch nie von Charlotte Sohy gehört? Wie denn auch! Ihre Manuskripte staubten in privaten Schubladen vor sich hin. Genau wie die Werke vieler anderer Komponistinnen, die nie ediert wurden, weil weibliche Kreativität in vergangenen Jahrhunderten selten ernst genommen wurde. Das möchte die Initiative "Elles – Women composers" ändern: Zu Verlag, Video-Channel und Festival kommt nun auch eine ausschließlich Komponistinnen vorbehaltene CD-Reihe. Das erste Album ist der Französin Charlotte Sohy gewidmet.

Bildquelle: La Boite a Pepites

Der CD-Tipp zum Anhören

Kompositionen von Charlotte Sohy wurden zu ihren Lebzeiten unter dem Männernamen Charles Sohy veröffentlicht. In einer Zeit, da Frauen musikalische Kreativität kaum zugetraut wurde, mussten Komponistinnen schon mal tricksen, um wahrgenommen zu werden. Dabei war Charlotte ein ebensolches Wunderkind wie ihre gleichaltrige Freundin Nadia Boulanger. Sie studierte an der Pariser Schola Cantorum Orgel bei Louis Vierne und Komposition bei Vincent d’Indy. Ihre Werke wurden von Kollegen wie Dukas, Fauré und Ravel gespielt und hochgeschätzt. Doch nach ihrem Tod 1955 wurde es still um Charlotte Sohy. Irgendwann begann ein musikbegeisterter Enkel, ihre Manuskripte zu sichten. Und jetzt sind dank der Initiative von "Elles – Women composers" fünfzehn ihrer rund fünfunddreißig Werke als Ersteinspielung auf CD erschienen. Der Anfang einer vielversprechenden Komponistinnen-Edition!

Mit beiden Beinen im Leben

"Vielen Dank für die Wertschätzung meiner Musik, aber hören Sie sich lieber die meiner Frau an. Denn, wenn Sie mich für talentiert halten – sie ist es, die Genie besitzt." So urteilt der Dirigent und Komponist Marcel Labey, den Charlotte 1909 in Paris heiratet und mit dem sie sieben Kinder haben wird. Sie führt also kein abgehobenes Künstlerdasein, sondern steht mit beiden Beinen in einem Leben, das zwei Weltkriege überdauert und trotz großbürgerlicher Herkunft Not und Sorge kennt.

Kurz und bündig

Dieses Album hat gefehlt, weil …
… es großartige Musik endlich hörbar macht: 15 Kompositionen zum ersten Mal eingespielt – und bestimmt nicht zum letzten Mal!

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… die drei CDs mit den Schwerpunkten Klaviermusik, Streichquartett und Orchester jeweils andere Facetten der Belle-Epoque-Künstlerin Charlotte Sohy beleuchten.

Dieses Album hört man am besten, nachdem …
… man sich im Video-Channel "La Boîte à Pépites" den Beitrag zu Charlotte Sohy angesehen hat.

Charlotte Sohy ist keine Hobbykomponistin von Salonmusik

Ihre Vorbilder Bach, Wagner, Debussy und César Franck verschmilzt sie in ihrem brennenden Ausdrucksbedürfnis zu romantischen, impressionistischen, dramatischen oder spirituellen Kompositionen. Ihr Stil ist persönlich, anspruchsvoll, raffiniert. 16 hervorragende Sänger, Pianisten und Kammermusiker sowie das Orchestre National Avignon-Provence unter Debora Waldmann sind an dem drei CDs umfassenden Konzeptalbum des neuen Labels "La Boîte à Pépites" beteiligt. Die Orchesterlieder, Streichquartette und Klavierstücke zeichnen das Bild einer sensiblen, geistreichen, selbstbewussten Künstlerin, die auf ihre Weise mit der Zeit geht. Eine Frau, die nie aufhört, das Leben als Wunder zu betrachten: "Ich stelle fest, dass meine weißen Haare nichts geändert haben an dieser Neugierde auf den nächsten, geheimnisvollen Tag, der mir stets das Versprechen eines unerwarteten Glücks zu enthalten scheint."

Das Leben hat mich wohl verwöhnt und ich danke Gott dafür.
Charlotte Sohy

Infos zur CD

Charlotte Sohy – Compositrice de la Belle Epoque
Orchester, Vokal- & Instrumentalwerke

Künstler: Celia Oneto Bensaid, Mathilde Calderini, Aude Extremo, Marie-Laure Garnier, David Kadouch, Constance Luzzati,  Heloise Luzzati,  Nikola Nikolov, Cordelia Palm Marie Perbost, Xavier Phillips, Marie Vermeulin, Quatuor Hermes, Orchestre National Avignon-Provence, Debora Waldman

Label: La Boîte à Pépites

Sendung: "Piazza" am 11. Juni 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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