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Album der Woche – Forgotten Voices Rediscovered Kammermusik von Henriette Bosmans und Fania Chapiro

Vor sieben Jahren wurde im britischen Newcastle das Brundibár Arts Festival gegründet. Unter dem Motto "Inspirierende Frauen" standen dort im letzten Jahr unter anderem die beiden jüdisch-niederländischen Musikerinnen Henriette Bosmans und Fania Chapiro im Zentrum. Kammermusik der beiden ist nun auf dem Album "Forgotten Voices Rediscovered" zu entdecken.

Bildquelle: Fineline

Den CD-TIpp anhören

Zwei Frauen, deren Tun und Wirken in Vergessenheit geraten sind: Fania Chapiro und Henriette Bosmans. Sie entstammen niederländisch-jüdischen Familien, überleben den Holocaust, spielen ausgezeichnet Klavier und komponieren. Schwärmerische Musik einer 23-Jährigen: mal aufbrausend, mal zart und verinnerlicht, charakteristisch für jene Zeit, in der sich Tradition und Moderne voneinander zu scheiden beginnen. Geschrieben hat sie Henriette Bosmans, geboren 1895 als einzige Tochter des Amsterdamer Solo-Cellisten Henri Bosmans und der Konzertpianistin Sara Benedicts.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, ...
... wer gerne sucht, entdeckt und findet.

Dieses Album muss man haben, ...
... weil Musik von zwei außergewöhnlichen Komponistinnen hörbar wird.

Dieses Album lädt ein ...
... zum Wiederhören und Schwärmen.

Inspiriert von Arnold Schönberg und Willem Pijper

Hochbegabt wächst Henriette Bosmans umgeben von Musik auf und beginnt früh, Klavier zu spielen und zu komponieren. Nachdem sie bei Schönberg einen Theoriekurs belegt hat und zum niederländischen Komponisten Willem Pijper in die Lehre kommt, löst sie sich erst als 30-Jährige von der romantischen Tonsprache und sucht nach neuen Ausdrucksformen. Neben ihren Auftritten als Pianistin bleibt ihr aber wenig Zeit zum Schreiben. Oft pausiert sie monatelang. Schließlich erhält sie als“Halbjüdin” 1940 Berufs- und Auftrittsverbot, übersteht in innerer Emigration die Besatzungszeit in Amsterdam und tritt erst nach Kriegsende wieder als Pianistin auf.

Sie beginnt auch wieder zu komponieren und publiziert zahlreiche Artikel. Ihr kompositorischer Werkkatalog ist jedoch überschaubar geblieben. Auf dem schönen Album "Forgotten Voices Rediscovered" ist nun neben der Violinsonate auch Henriette Bosmans’ Klaviertrio von 1921 zu entdecken, ein Geburtstagsgeschenk für die Mutter.

Musikalische Verneigung vor Prokofjew

Als Bosmans schon auf künstlerischer Wegsuche ist, wird 1926 Fania Chapiro auf der niederländischen Kolonialinsel Java geboren. Auch sie wächst in einer Musikerfamilie auf. Die Eltern erkennen ihr außergewöhnliches Talent und ziehen nach Paris als Fania acht Jahre alt ist, um ihrer Tochter eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Den Zweiten Weltkrieg überlebt die Familie im Untergrund in den Niederlanden. Ende der 1940er Jahre zieht Fania Chapiro nach New York und taucht in ein reges Musikerinnenleben ein. Sie komponiert, konzertiert, unter anderem auch mit Leonard Bernstein. In den 1950er-Jahren kehrt sie zurück in die Niederlande und schreibt ihre zweite, sich vor Prokofjew verneigende Cellosonate.

Lohnende Recherche

Fania Chapiros Cellosonate Nr. 2 hat das Brundibár Ensemble ausgegraben, als Ersteinspielung aufgenommen und mit Henriette Bosmans' Violinsonate und Klaviertrio auf einer wunderbaren CD kombiniert. Die drei Musiker machen diese changierende Musik zwischen romantischen, impressionistischen und schließlich in die Moderne weisenden Klängen ausgezeichnet erlebbar. Sie spielen leidenschaftlich aufbrausend, rhythmisch prägnant und innig verträumt zugleich. Damit lösen sie nicht nur überzeugend den Album-Titel ein, sondern machen auf zwei außergewöhnliche Musikerinnen aufmerksam, deren Biografien durch die Verfemung jüdischer Künstlerinnen und Künstler im 20. Jahrhundert maßgeblich geprägt und deren Wirken fast vergessen wurde. Dass sich Erinnern und Recherchen lohnen, zeigt einmal mehr diese gute Musik.

Infos zur CD

Forgotten Voices Rediscovered

Henriette Bosmans:
Sonate für Violine und Klavier
Klaviertrio
Fania Chapiro:
Sonate für Cello und Klavier

Brundibár Ensemble

Label: Fineline

Sendung: "Piazza" am 28. Oktober 2023 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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