Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian ist ein Star in der Opernwelt. Nach ihrem Debüt-Album mit Rachmaninow-Liedern hat sie jetzt ihre erste Aufnahme mit Konzert-Repertoire herausgebracht: die 14. Symphonie von Dmitrij Schostakowitsch. In diesem Werk hat Schostakowitsch elf Gedichte von Federico García Lorca, Guillaume Apollinaire und Rainer Maria Rilke in russischer Sprache vertont – alle kreisen um den Tod. Diese Vokalsymphonie für Sopran und Bass hat der Finne Mikko Franck mit der Grigorian und dem Bariton Matthias Goerne eingespielt. Ein tiefgreifendes Hörerlebnis.
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Im Marschtritt klappert das Xylofon wie ein Knochenmann. Mit der ihr eigenen Intensität singt Asmik Grigorian vom Leid einer Frau, die sich auf die letzte Begegnung mit ihrem Liebsten vorbereitet – der Soldat wird in der Schlacht sterben. In seiner 14. Symphonie zielt Schostakowitsch auf Reduktion: Es gibt keine Bläser, nur Streicher. Dafür spielt das Schlagzeug eine tragende Rolle. Wenn der Tod in der Taverne zum Tanz aufspielt, zitiert Schostakowitsch Flamenco-Rhythmen – schließlich war der hier vertonte Lorca Spanier.
Asmik Grigorian | Bildquelle: © Algirdas Bakas
Interessant, wie Schostakowitsch die elf Gedichte auf die beiden Solostimmen verteilt: Mal singt der Sopran, mal der Bass ein Lied. In der großen Ballade "Loreley" nach Apollinaire aber kommt es zum erregten Dialog zwischen der schönen Nixe und dem entflammten Bischof. Asmik Grigorian und Matthias Goerne liefern sich hier eine kleine Opernszene. Bevor sich die Loreley, von ihrem Liebhaber verlassen, in den Tod stürzt, beschwört sie in einer Vision seine Rückkehr: Auf der Oberfläche des Rheins erscheint ihr sein Spiegelbild. Mit dem gläsernen Klang einer Celesta unterstreicht Schostakowitsch den surrealen Charakter der Szene. Und Asmik Grigorian findet dafür innigste Töne.
In einem anderen Lied nach Apollinaire wartet ein Gefangener im Kerker auf seine Hinrichtung und fleht Gott um Erbarmen an. Matthias Goerne bäumt sich machtvoll auf in seinem Schmerz – die nötige Tiefe hat er für die Partie, seine Stimmführung könnte allerdings fokussierter sein.
Einmal mehr demonstriert Mikko Franck die hohe Qualität seines Orchestre Philharmonique de Radio France. Aus der kleinen Besetzung holt Franck ein Maximum an Klangnuancen heraus – von atemlos dramatisch bis bodenlos fahl. Nur im Schlussstück seiner 14. Symphonie vereint Schostakowitsch die beiden Protagonisten im Duett zum flammenden Appell gegen das Sterben. "Der Tod ist groß", heißt es im vertonten Rilke-Gedicht – aber das Leben ist stärker, sagt uns Schostakowitsch.
Dmitrij Schostakowitsch:
Symphonie Nr. 14 für Sopran, Bass, Streichorchester und Schlagzeug, op. 135
Fünf Fragmente, op. 42
Asmik Grigorian (Sopran)
Matthias Goerne (Bariton)
Orchestre Philharmonique de Radio France
Leitung: Mikko Franck
Label: Alpha
Sendung: "Piazza" am 14. Oktober 2023 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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