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Filmstart von "Madame Marguerite" "... oder: Die Kunst der schiefen Töne"

Sie ist adelig, reich, liebt Oper über alles, hat eine Leidenschaft für das Singen, aber: ihr fehlt das musikalische Talent. Es geht um Florence Foster-Jenkins, von deren Geschichte sich Regisseur Xavier Giannoli in seinem neuen Film "Madame Marguerite oder: Die Kunst der schiefen Töne" inspirieren ließ. Nun läuft er in den deutschen Kinos an.

Szene mit Marguerite (Catherine Frot) und ihrem Diener Madelbos (Denis Mpunga) aus dem Film "Madame Marguerite oder: Die Kunst der schiefen Töne" | Bildquelle: 2015 Concorde Filmverleih GmbH/ Larry Horricks

Bildquelle: 2015 Concorde Filmverleih GmbH/ Larry Horricks

Die reiche Madame Marguerite liebt die Oper über alles, hat eine große Leidenschaft für das Singen, nur leider keinerlei musikalisches Talent. Das hält sie jedoch nicht davon ab, ihr Nicht-Können zum besten zu geben. Regelmäßig tritt sie zu Hause im privaten Rahmen auf und unterhält ihre Freunde und Bekannten mit eigenwilligen Interpretationen berühmter Opernarien.
Der französische Regisseur Xavier Giannoli, der bereits mit "Chanson d'amour" ein hinreißendes Kammerspiel über einen alternden Chanson-Sänger in die Kinos brachte, hat sich bei seinem neuen Film von der realen Geschichte der Amerikanerin Florence Foster-Jenkins inspirieren lassen. Einer reichen Erbin, die es mit ihrem Operngejaule 1944 sogar in die New Yorker Carnegie Hall schaffte. Die Geschichte von Xavier Giannoli spielt im Frankreich der 1920er Jahre und hat den vielversprechenden Titel: "Madame Marguerite oder: Die Kunst der schiefen Töne".

Szene mit Marguerite (Catherine Frot) und ihrem Diener Madelbos (Denis Mpunga) aus dem Film "Madame Marguerite oder: Die Kunst der schiefen Töne" | Bildquelle: 2015 Concorde Filmverleih GmbH/ Larry Horricks Bildquelle: 2015 Concorde Filmverleih GmbH/ Larry Horricks Schon das Entrée dieses Films ist ein Versprechen: Baronin Marguerite Dumont gibt ein Benefizkonzert für die Waisen des Ersten Weltkriegs – und während unten im Erdgeschoss Gäste eintreffen, Bedienstete umherhuschen und das Orchester platziert wird, folgen wir dem jungen Journalisten Julien, der sich heimlich in den ersten Stock schleicht, wo Madame sich auf ihren großen Auftritt vorbereitet. Gewusel, Geflüster und Getuschel, eine Kamerafahrt über Treppen und durch dunkle Gänge – und dann schreitet Marguerite zur Tat: im mit silbernen Pailletten überreich bestickten Kleid und mit einer majestätischen Pfauenfeder auf dem Kopf.

Das Ringen um den richtigen Ton

Neben der Spur zu singen, ohne banal zu werden, ist große Kunst. Die Sopranistin, die der Hauptdarstellerin Catherine Frot im Film ihre Singstimme leiht, macht ihre Sache großartig: das Ringen um den richtigen Ton, das Anheulen und schließlich das Scheitern in der Höhe – das ist schiefes Singen in Vollendung. Marguerite singt, das Publikum leidet - und weidet sich, frenetisch applaudierend, an dieser anrührenden und gleichzeitig grotesken Darbietung.

"Kommen Sie herein oder gehen Sie hinaus, Monsieur, aber machen Sie die Türe zu. Das erträgt ja kein Mensch. Hat sie schon immer so gesungen? Oh nein, sie hat große Fortschritte gemacht." (Publikumsreaktionen)

Marguerite durchschaut die Heuchler nicht. Von ihrem Mann vernachlässigt, hat sie sich längst in ihrer eigenen Welt eingerichtet.

"Es ist mir peinlich. Es ist mir so peinlich. Warum muss sie das unbedingt tun? Für mich ist sie nicht einmal mehr eine Frau. Inzwischen ist sie so eine Art Monstrum." (Madame Marguerites Mann)

Zart und verletzlich

Doch das ist sie ganz und gar nicht. Die 58-jährige Catherine Frot gibt ihrer Figur was wunderbar Zartes, Jungmädchenhaftes, Verletzliches. Man möchte sie beschützen in ihrer scheinbaren Hilflosigkeit – und staunt über die Unbeirrbarkeit dieser zutiefst einsamen Seele. Xavier Giannoli hat berührende Bilder dafür gefunden: nachts macht Marguerite ihr brokatverhangenes Schlafzimmer zur Bühne; hingegossen auf einer Chaiselongue verwandelt sie sich in Verdis „Traviata“, ein Stups mit dem Zeigefinger an den Lüster macht die richtige Stimmung … Großes Kino mit kleinen Gesten.

Die Verortung dieser Frau im Paris der 1920er Jahre ist das, was den Film über eine reine Biografie hinaushebt: Marguerite sorgt bei einer provokativen Performance junger Künstler ungewollt für einen Eklat – denn wieder wird sie nur benutzt. Doch für sie ist es ein Abenteuer, das ihr Lust macht auf mehr.
Und dann hat sie ihren großen Auftritt – und für ein paar kurze Augenblicke wird diese Tragikomödie zum Märchen … Aber das wäre ja dann doch zu schön und zu kitschig, um wahr zu sein.

Für mich gibt es nur die Musik. Ohne sie würde ich verrückt werden, hören Sie? Verrückt. Verrückt!!!
Madame Marguerite

"Madame Marguerite oder: Die Kunst der schiefen Töne"

Originaltitel: Marguerite
Regie: Xavier Giannoli

Kinostart: 29. Oktober 2015

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