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Filmtipp "Dirigenten - Jede Bewegung zählt"

Seit 2002 gibt es den renommierten Internationalen Dirigenten-Wettbewerb Sir Georg Solti. 540 junge Nachwuchsdirigenten aus aller Welt hatten sich 2008 dort beworben. 24 Kandidaten wurden ausgewählt. Regisseur Götz Schauder hat den Wettbewerb begleitet.

Szenenbilder aus dem Film | Bildquelle: mindjazz pictures

Bildquelle: mindjazz pictures

Filmtipp

"Dirigenten - Jede Bewegung zählt"

Eine Dokumentation über musikalische Wettbewerbe hat etwas Vorhersehbares: Man beobachtet die Kandidaten bei der Ankunft, begleitet sie durch die ersten Runden, sieht sie ausscheiden oder weiterkommen, spielt Mäuschen bei der Jury, die die Leistungen kommentiert, und zieht mit den Favoriten ins Finale. Am Schluss dann Jubel, Blumensträuße und glückliche Gesichter.
All das gibt es auch in dieser Dokumentation über den Georg Solti Dirigentenwettbewerb 2008. Doch das macht diesen Film, der seltsamerweise erst jetzt ins Kino kommt, noch nicht zu etwas Besonderem. Die Wettbewerbsstationen werden filmisch konventionell abgehandelt, wir Zuschauer fahren mit den noch hoffnungsvollen Prüflingen Taxi und dürfen mit ihnen das Hotelzimmer inspizieren. Und lassen ein erstes, sehr klischeehaftes Juroren-Statement über uns ergehen:

Ein Dirigent muss Persönlichkeit und eine persönliche Ausstrahlung haben. Nur so kann er, was er empfindet, auf das Orchester übertragen.

Von den meist missmutig dreinblickenden Jurymitgliedern, darunter die verdienstvollen Dirigenten Zdenek Macal, Jörg Faerber und Othmar Maga, kommt wenig Substanzielles. Zugewandtheit ist nicht ihre Stärke, und der Blick auf die Uhr bestimmt die Probenarbeit bei dieser sehr eng getakteten Veranstaltung. Das irritiert auch die Kandidaten: "Er hat ständig gesagt: Achten Sie auf die Zeit! Was soll das? Ich bin zum Proben hier. Sie sind der Chef, hat er gesagt."

Die Amerikanerin Alondra de la Parra schafft es nicht ins Finale – und auch der Engländer James Lowe muss vor der Endrunde die Koffer packen. Woran diese beiden charismatischen Jungdirigenten fachlich scheitern, erschließt sich nicht so recht, und wird auch nicht erklärt. Spätestens jetzt beginnt man als Zuschauer Partei zu ergreifen … gegen diesen Wettbewerb, der seine Teilnehmer nicht ernst nimmt. Denn auch diesen Eindruck vermittelt dieser Film. Wie sagt doch ein Juror zu den Orchestermusikern:

Spielen Sie wirklich so, wie sie dirigieren!

Das Spannende an dieser Dokumentation ist nicht der steinige Weg bis zum Wettbewerbsgewinn – sondern was hier menschlich passiert. Und wie man damit umgeht. Auch als Zuschauer. Ist das, was hier abläuft, gerecht? Sind wir gerecht in unserem Urteil über die Fachkenntnis der Jury? Aziz Shokhakimov, ein 19-jähriger Feuerkopf aus Usbekistan, wird in den höchsten Tönen gelobt – und dann ausgebremst: "Wir sind der Meinung, dass Sie eine ganz große Karriere vor sich haben, aber es braucht noch ein bisschen Zeit der Entwicklung."

Wäre es nicht vielleicht eine mutige Entscheidung gewesen, den Usbeken für seine Leistungen zu belohnen, statt ihn für seine Jugend zu bestrafen? Der verständnislose Blick des Jungdirigenten spricht Bände …
Doch nicht jede große Karriere braucht einen gewonnenen Wettbewerb. Und das nötige Quäntchen Selbstbewusstsein kann Aziz Shokhakimov von seinem sympathischen Kollegen James Lowe lernen, der ihm in Frankfurt zum Freund geworden ist: "Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich der Musik nichts Gutes tue, dann wäre das ein Problem. Aber wenn ich mir selbst gewiss bin und meinen Fähigkeiten als Musiker vertraue, dann ist alles in Ordnung. Dann sollte man weiter machen."

Film: "Dirigenten - Jede Bewegung zählt"

Eine Dokumentation von Götz Schauder
Länge: 84 Minuten

Filmstart: 28. Januar 2016

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