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Konzertsaal für München Philharmoniker loben Gasteig-Entscheidung

Konzertsaal der Philharmonie im Gasteig | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Die Entscheidung für eine Optimierung der Philharmonie sei ein "Bekenntnis zu einer 30-jährigen Erfolgsgeschichte", heißt es in dem von Intendant Paul Müller sowie den Orchestervorständen unterzeichneten Brief. So könne ein Saal geschaffen werden, "der mit den internationalen Spitzensälen wie Berlin, Tokio oder Luzern in einer Reihe steht."

Die Münchner Philharmoniker hätten sich niemals gegen einen neuen Konzertsaal ausgesprochen. Der Umbau sei eine Chance. Ihnen sei an einer "konstruktiven Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gelegen." Die Staatsregierung hatte sich am Dienstag hinter die Entscheidung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gestellt, keinen dritten Konzertsaal zu errichten und stattdessen die Philharmonie im Gasteig komplett umzubauen. Sie ist die Heimstätte der Münchner Philharmoniker. Am Mittwoch befasste sich der Landtag erstmals mit dem Thema Gasteigrenovierung und bestätigte den Kurs von Seehofer und Reiter.

Auf einer Fraktionssitzung der SPD hatte eine deutliche Mehrheit der sozialdemokratischen Abgeordneten zuvor gegen ihren Chef, Markus Rinderspacher, gestimmt. Der wollte, dass seine Fraktion im Plenum des Landtags einen Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler unterstützt. Darin forderten diese die Staatsregierung auf, einen neuen, international wettbewerbsfähigen Konzertsaal in München zu bauen.

Debatte im Landtag

Die Fraktion der Sozialdemokraten beschloss dann einen eigenen Dringlichkeitsantrag für das Plenum. Darin verlangen sie zunächst von der Staatsregierung, konkrete Angaben zu Kosten und Risiken der vom Kabinett beschlossenen Modernisierung von Gasteig und Herkulessaal vorzulegen, außerdem einen konkreten Standort und eine Machbarkeitsstudie für einen Neubau. Zum Thema Konzertsaal für München hatten alle Fraktionen Dringlichkeitsanträge zur Debatte im Landtag eingereicht.

In deren Verlauf kritisierten am deutlichsten die Freien Wähler die Absage an einen kompletten Konzertsaal-Neubauw, wie etwa der Münchner Abgeordnete Michael Piazolo, der der Staatsregierung und Stadtspitze vorwarf, sie habe für viele einen Traum zerstört.

Sepp Dürr (Grüne) beklagte ein "Hau-Ruck-Verfahren". Gudrun Brendel-Fischer (CSU) und Isabell Zacharias (SPD) verteidigten die Pläne, ebenso Kunstminister Ludwig Spaenle: "Das ist eine ganz reguläre Entscheidung, so eine Leitentscheidung zu treffen.... Ich bitte viele Enttäuschte, diesen Weg ein Stück weit mitzugehen, ... um eine gute Zukunft zu ermöglichen."

Er sei gespannt, wie weit der Bayerische Rundfunk sich an diesem Investment beteiligen werde, betonte Spaenle vor dem Plenum.

Neubaupläne auf Eis gelegt

Die Staatsregierung setzt statt des kompletten Neubaus auf Aus- und Umbau der bestehenden Stätten sowie ein anderes Belegungssystem. Das hatte Kultusminister Ludwig Spaenle schon nach der Kabinettssitzung in München erklärt. Spaenle sagte, man trage Verantwortung für den Musik- und Kulturstandort Bayern:

Dazu gehören auch adäquate Spielstätten für unsere beiden Spitzenorchester in München. Das war Gegenstand der Regierungserklärung 2013 und gilt nach wie vor.
Kultusminister Ludwig Spaenle

Ausstiegsoption

Für den Kultusminister hat die vom Freistaat und der Stadt München eingesetzte Arbeitsgruppe ergeben, dass der Konzertsaal von zwei Orchestern genutzt werden könne. Außerdem stehe für einen weiteren Konzertsaal kein realisierbarer Standort zur Verfügung. Es könnte dennoch eine Ausstiegsoption mit einem Konzertsaalneubau geben - falls sich die Pläne im Gasteig nicht realisieren lassen.

Laut Kabinettsvorlage sollen sich die beiden Münchner Weltklasse-Orchester, die städtischen Münchner Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, den Gasteig und den dann ebenfalls renovierten Herkulessaal der Residenz jeweils im 14-tägigen Wechsel teilen.

Jansons: "Wir wurden zum Narren gehalten"

Auf einer Pressekonferenz nahm der Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons, Stellung. Dort zeigte sich Jansons enttäuscht von der Politik. Er berichtete, dass er noch im Januar zu einem Gespräch bei Ministerpräsident Seehofer war und offen gesagt habe, dass es "seit zehn Jahren einen Plan gegen einen Saal und das Symphonieorchester" gebe und dass ein Spiel mit ihm gespielt werde. Hinsichtlich einer Doppelbelegung des Gasteigs führte der Dirigent aus, dass bereits zwei Studien die Nichtdurchführbarkeit belegten.

Wir wurden zum Narren gehalten
Mariss Jansons, BR-Chefdirigent

Die verantwortlichen Politiker hätten zu wenig mit Fachleuten gesprochen, was die Stadt für die Weiterentwicklung im Bereich Musik brauche. Er fühle sich von der Politik an der Nase herumgeführt. "Schockiert" habe ihn, dass die BR-Symphonieorchester nicht an dem entscheidenden Gespräch im München Rathaus habe teilnehmen könnnen. Jansons und die Musiker wollen nun weiter für einen neuen Saal kämpfen.

BR-Intendant weist Vorwürfe zurück

An der Pressekonferenz nahm auch der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, teil. Er warb nochmals für einen neuen Konzertsaal und begründete dies ausführlich. Man dürfe nicht auf Stagnation setzen. Seit Jahren wachse die Zahl der in München und im Umland lebenden Menschen. Es gebe zu wenig Sitzplätze. Ein neuer Konzertsaal könne ein Kraftzentrum sein, das weit über die Einwohnerschaft hinaus Impulse setze. Wilhelm wies weiter darauf hin, welchen wirtschaftlichen Nutzen ein zweiter Konzertsaal für die Stadt hätte: mehr Übernachtungen, mehr Konsum. Der BR sei als Sachverwalter einer breiteren Öffentlichkeit bereit, Konzerte live zu übertragen.

Externe Studie

Auch der Experte Karsten Witt, früherer Chef des Wiener Konzerthauses, der an an einer neuen Studie arbeitet, meldete sich zu Wort. In München konnte Witt bereits ausführen, dass der Herkulessaal aufgrund seiner räumlichen Gegebenheiten als generell ungeeignet anzusehen sei. Deshalb sei die beschlossene Idee von vorneherein unsinnig und abwegig.

Zudem sprach er das Problem an, falls beide Orchester im Gasteig konzertieren würden, könnten private Veranstalter nur noch am Dienstagabend und am Sonntagvormittag Veranstaltungen durchführen. Und das ohne Proben und aufwändige Aufbauten. Die nichtklassische Musik würde aus dem Musikleben im Gasteig völlig verschwinden.

Musikrat fordert Übergangslösung

Heftig reagiert hatten mehrere Musiker, darunter auch die Geigerin Anne-Sophie Mutter. Sie kritisierte Ministerpräsident Horst Seehofer scharf und warf ihm Wortbruch vor.

Die aktuellen Pläne ärgern auch so manchen Münchner Bürger: So wurde eine Online-Petition für einen weiteren Konzertsaal in München gestartet, bei der bis Mittwochfrüh schon mehr als 20.000 Bürger unterschrieben.

Auch die Mitgliedsverbände im Bayerischen Musikrat reagierten enttäuscht über die Absage an einen weiteren Konzertsaal in München. Ein neuer Saal hätte zu einem "Anziehungspunkt für eine führende Musikstadt" werden können, heißt es in einer Mitteilung. Der Musikrat forderte, dass für die Umbauzeit des Gasteigs, in der die Philharmonie nicht als Konzertraum zur Verfügung steht, eine Übergangslösung gefunden werden müsse, "die den Konzertbetrieb in München nicht nachhaltig beeinträchtigt".

Lebhafte Debatte im Netz - eine Auswahl

Pro:

  • In der Philharmonie gibt es durchaus gute Plätze, aber auch welche, auf denen man nicht gut hört. Speziell Soloinstrumente dringen oft nicht durch. Noch viel größer ist das Problem für die Musiker auf dem Podium: Sie hören sich oft gegenseitig nur sehr schlecht.
  • Ich bin auch zutiefst entäuscht und sauer über diese unprofessionelle und naive Entscheidung. Der Gasteig wird für große Veranstaltungen, für die er geeignet ist geopfert und am Ende wird es mindestens so viel wie ein neuer Saal kosten und doppelt so lange dauern.
  • Am besten wäre abreißen, planieren und einen schönen Parkplatz daraus machen.
  • Kultur ist die Grundvoraussetzung für Wohlstand und Frieden. Insofern ist es nicht zu verstehen, wie man so tolle Orchester und Musiker auf diese Art und Weise vor den Kopf stoßen kann. Noch dazu Versprechen bricht. Wenn ich Mariss Jansons wäre, würde ich diesen Provinzpolitikern den Rücken kehren. München - doch ein großes Dorf!

Contra:

  • München hat zwei Konzertsäle, das müsste reichen.
  • Wir müssen die Situation verbessern und wollen dies auch tun. (Kultusminister Ludwig Spaenle)
  • Der Freistaat Bayern sollte das Geld lieber für notwendigere Sachen wie bezahlbaren Wohnraum, Kitas und Ganztagsschulen ausgeben.
  • Im Würzburger Mainfrankentheater bröckelt mehr als der Putz. In Augsburg ist das Theater marode. So sehr ich Münchner einen tollen Saal gönne, das ist zu viel für die Hauptstadt Bayerns. Übrigens: In ganz München gibts keine anständige Halle/Ort für Popmusik. Nur Sporthallen und Industrie-Brachen für Pop.

Zwischenruf:

  • Ganz unabhängig davon, ob München einen neuen Konzertsaal braucht, steht auf dem Spiel – wie bei vielen Themen, die die bayrische Staatsregierung zu verantworten hat – das Vertrauen in Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Nehmen wir das Thema Energiewende, hier ist es das Gleiche: fehlende Planungssicherheit, fehlende professionelle Risiko- und Chancenabwägung. Überall gilt, wie die Musikerin sagt: Es wird entschieden bevor abgeklärt wird, ob eine Entscheidung sinnvoll ist. Das ist für ganz Bayern blamabel!

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