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Der Komponist Gregor A. Mayrhofer "Das Orchester ist das schönste Instrument der Welt"

Der Komponist und Dirigent Gregor A. Mayrhofer ist Assistent von Simon Rattle in Berlin. Am 28. Februar 2018 wird sein "Lageder Oktett" vom Münchner Kammerorchester im Rahmen der Reihe "MKO Songbook" aufgeführt und anschließend auch in den BMW Clubkonzerten und in Neuburg an der Donau gespielt. BR-KLASSIK traf Mayrhofer zum Interview.

Der Komponist und Dirigent Gregor A. Mayrhofer | Bildquelle: Priska Ketterer, Lucerne Festival 2017

Bildquelle: Priska Ketterer, Lucerne Festival 2017

Das Interview in voller Länge zum Anhören

BR-KLASSIK: Bei mir im Studio ist Gregor Mayerhofer - Dirigent, Komponist, Pianist. Sie assistieren Simon Rattle, weil - so hat Rattle das begründet - in Ihnen ein Musiker und ein Dirigent zusammenkommen und nicht nur ein Dirigent und ein Dirigent und ein Dirigent... Jetzt spielen Sie ja Klavier, und das ist ein Instrument, das eher selten im Orchester zu finden ist. Wie hat er das gemeint?

Gregor A. Mayrhofer: Das stimmt, mit dem Klavier spielt man nicht in erster Linie im Orchester. Ich habe trotzdem natürlich in vielen verschiedenen Ensemblekombinationen Klavier gespielt: in einem Jazz-Duo mit meinem Bruder oder auch viel Kammermusik. Ein ganz wichtiger Teil meines Schaffens ist jedoch das Komponieren und das Nachdenken über die Musik. Und so ist für mich einerseits musikalisch sehr interessant, dieses Orchester als Wesen zu erfassen - zum Beispiel die Orchestration: Wie erreicht man diese ganz besonderen Farben? Wie schafft man es, dass ein Stück Zeit vergeht, irgendwie eine Bedeutung bekommt für den Zuhörer?

Ein lebenslanger Forschungsprozess

Und auch der psychologische Aspekt ist für mich sehr interessant: Wie schafft man es, dass diese Gruppe von Menschen inspiriert und motiviert ist - Lust hat, Energie zu investieren und Konzentration dafür aufzuwenden, dass dieser Moment etwas ganz Besonderes wird. Und da trifft sich das Innermusikalische mit dem Außermusikalischen: Wie leben Menschen zusammen? Wie funktionieren Menschen zusammen, die teilweise ganz unterschiedlicher Herkunft sind, mit unterschiedlichen Sprachen und unterschiedlichen Kulturkreisen. Das ist ein toller lebenslanger Forschungsprozess.

Wir haben uns viel unterhalten über diese Parallelitäten zwischen Weinanbau und Komponieren.
Gregor A. Mayrhofer über den Entstehungsprozess seines Oktetts.

BR-KLASSIK: Im Moment findet der Forschungsprozess mit dem Münchner Kammerorchester statt; zeitgenössische Musik steht da auf dem Programm, unter anderem Ihr "Lageder Oktett" aus dem Jahr 2017. Was steckt drin in diesem Stück?

Der Komponist und Dirigent Gregor A. Mayrhofer | Bildquelle: Luc Hossepied, 2016 Gregor A. Mayrhofer | Bildquelle: Luc Hossepied, 2016 Gregor A. Mayrhofer: Das Stück war ein Kompositionsauftrag von Alois Lageder, ein hervorragender Weinbauer in Südtirol. Der hat mich eingeladen, auf sein Weingut zu kommen, um dort dieses Stück zu schreiben und wir waren ganz viel im Austausch. Ich durfte kennenlernen, wie er den Wein kultiviert auf biodynamische Art und Weise. Da versucht man, soweit es irgendwie geht, auf Chemikalien zu verzichten. Und da kam mir der Gedanke: Wie funktioniert die Natur eigentlich? Wo waren die natürlichen Kräfte, die das alles wachsen haben lassen und die wir manchmal heute vergessen haben, weil so viel auf den letzten Tropfen Effizienz getrimmt ist? Und das ist etwas, was die Musik auch immer sehr betrifft; auch im Musikbusiness geht es manchmal sehr schnell und druckvoll zu. Und da haben wir uns viel unterhalten über diese Parallelen zwischen dem Weinanbau und dem Komponieren: Wo geht es nur um Intuition und wo geht es einfach um Wissen und um Handwerk? Und in diesem Dialog ist dieses Stück dann entstanden, das dann vom Scharoun Ensemble uraufgeführt wurde - direkt auf dem Weingut . Auf der Aufnahme hört man manchmal noch die Vögel zwitschern, weil das in so einem Kellergewölbe auf dem Weingut stattgefunden hat.

Dirigent per Zufall

BR-KLASSIK. Dieses Stück war sozusagen Ihre Eintrittskarte zu den Berliner Philharmonikern - stimmt das?

Gregor A. Mayrhofer: Indirekt ja. Ich habe dieses Stück für das Scharoun Ensemble komponiert, und so lernten die mich kennen - als Komponist primär. Dann hat es sich schließlich ganz lustig ergeben, dass sie in den Proben plötzlich gesagt haben: Mensch, könntest du nicht einmal einfach dirigieren? Dann ist es für uns leichter von der Koordination her. Und dann meinten sie: Dirigiere das Konzert doch auch. Das ist schön, wenn du mit uns auf der Bühne bist, und für uns ist es entspannter zum Spielen. Und so kam es, dass die Musiker mich, eigentlich ganz ungeplant, auch als Dirigent kennenlernten und auf mich ein bisschen aufmerksam wurden. So entstand der Kontakt, der letztlich zu Simon Rattle führte.

Das ist ein Geheimnis, das man sein Leben lang versucht, herauszufinden.
Gregor A. Mayrhofer über das Dirigieren

BR-KLASSIK: Wenn man ein eigenes Stück mit einem Orchester einstudiert, wie viel erklärt man da und wie viel kommt ganz von selbst von den Musikern?

Gregor A. Mayrhofer: Das ist eines dieser ganz spannenden Geheimnisse, die man sein Leben lang versucht, herauszufinden und das ich jetzt gerade bei den Berlinern versuche zu erforschen. Wie lösen die Dirigenten das? Worüber sprechen Sie? Wie viel geht über die informative Ebene und wie viel entsteht nur durch den Moment, durch einen Blick oder durch das Wissen und das Vertrauen, das die Musiker ja selbst ganz großartiges Gespür für die Musik haben?

Ein Instrument aus Menschen

BR-KLASSIK: Vertrauen - ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Stichwort. Man muss die Musiker gut kennen, aber auf der anderen Seite muss man ihnen auch vertrauen können.

Gregor A. Mayrhofer: Ja. Ich finde, das Orchester ist das schönste Instrument, das es gibt auf der Welt, weil es eben kein Instrument aus Holz oder Metall ist, sondern ein Instrument aus Menschen, aus lebenden Organismen, die alle selbst denken und selbst wahrnehmen.

Ein Beitrag gegen das Insektensterben

BR-KLASSIK: Im Moment komponieren Sie an einem Insektenkonzert. Diese Tierchen sind ja im letzten Jahr durch die Medien gegangen, weil sie langsam aber sicher aussterben. Welche Insekten haben Sie ausgesucht, und wie klingen sie denn am Ende?

Gregor A. Mayrhofer: Wir haben uns primär Grillen ausgesucht, weil die natürlich akustisch am reizvollsten sind. Es gibt eine ganze Palette von unterschiedlichen Klängen, das hätte ich gar nicht gedacht. Wenn man sie so in der Masse hört, dann denkt man : OK, das ist der Grillenklang. Wenn man sich wirklich die einzelnen Grillen einmal anhört, merkt man, wie groß die Vielfalt der Klänge eigentlich ist. Und wir würden gerne mit der Akademie Berlin einen musikalischen Dialog starten zwischen den originalen Grillenklängen und den von uns imitierten - der aufmerksam macht auf das Insektensterben, das ein viel größeres Problem ist als den meisten im Bewusstsein ist. Insekten sind einer der wichtigsten Bausteine des ganzen Naturkreislaufs, in dem wir uns befinden. Nicht nur als Nahrungsmittel für Vögel, sondern auch als Bestäuber. Wir werden einfach keine Früchte mehr haben, wenn die Insekten nicht mehr da sind; der ganze Kreislauf wird zusammenbrechen. Das ist leider noch nicht wirklich im Bewusstsein verankert. Wir als Künstler werden auf diesem bescheidenen Weg zumindest versuchen, dazu einen Beitrag zu leisten - und alles, was von dem Erlös zusammenkommt, wird gespendet.

Gregor A. Mayrhofers "Lageder Oktett" in München

Im Rahmen der Reihe "MKO Songbook" des Münchener Kammerorchesters erfährt Mayrhofers "Lageder Oktett" seine Deutsche Erstaufführung.

Mittwoch, 28. Februar 2018, 20:00 Uhr
München, Schwere Reiter
Dachauer Straße 114

Auch in den "BMW Clubkonzerten" ist das Oktett zu hören.
Bei den Clubkonzerten handelt es sich um eine gemeinsame Initiative des Münchener Kammerorchesters und der Münchner Philharmoniker, die regelmäßig kammermusikalische Programme in der enspannten Atmosphäre von ausgesuchten Clubs der bayerischen Landeshauptstadt präsentieren. Die Reihe wird von BMW unterstützt.
Lageders Oktett kommt im Club "Rote Sonne" am Maximiliansplatz zur Aufführung.

Samstag, 3. März 2018
München, Rote Sonne
Maximiliansplatz 5
Einlass: 20.30 Uhr, Beginn: 21.00 Uhr

Eine weitere Aufführung erlebt Mayrhofers Oktett - gemeinsam mit dem Oktett von Franz Schubert - auf dem Kammermusik-Festival "Neuburgmusik 2018" in Neuburg an der Donau.

Sonntag, 11. März 2018
Neuburg an der Donau
16:30 Uhr, Kongregationssaal

Sendung: "Leporello" am 28. Februar 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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