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Neues aus der Hirnforschung "Miles Davis ist nicht Mozart"

Längst ist bekannt, dass Musiker andere Gehirnstrukturen haben als Nicht-Musiker, denn das Musizieren ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Fähigkeiten, was sich in stärker ausgeprägten Hirnstrukturen widerspiegelt. Dass sich diese Fähigkeiten viel feinabgestimmter im Gehirn zeigen, als bisher angenommen, und sich sogar je nach Stilrichtung des Musikers unterscheiden, haben nun Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig herausgefunden.

Illustration vom Gehirn mit Synapsenverbindungen der Musik | Bildquelle: Collage BR/Nadja Pfeiffer/colourbox

Bildquelle: Collage BR/Nadja Pfeiffer/colourbox

Gespräch zum Thema mit der Neurowissenschaftlerin Daniela Sammler

Bei Jazzpianisten laufen andere Hirnprozesse ab als bei Pianisten, die klassische Musik interpretieren. Der Grund ist, dass beide Musikstile dem Gehirn unterschiedliche Fähigkeiten abverlangen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig bringen das Phänomen folgendermaßen auf den Punkt: "Miles Davis ist nicht Mozart".

Keith Jarrett | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Jazz-Pianist Keith Jarrett | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der weltberühmte Jazz-Pianist Keith Jarrett wurde einmal in einem Interview mit einem Musikmagazin gefragt, ob er sich vorstellen könne, in einem Konzert sowohl Jazz als auch Klassik zu spielen. Darauf antwortete er: "Nein, ich glaube, das wäre Wahnsinn, praktisch nicht machbar. Dein System baut für beide Richtungen auf unterschiedliche Schaltkreise." Wo der Laie annehmen könnte, dass ein Profi problemlos zwischen den Musikstilen wechselt, scheint es also selbst für einen Musiker mit jahrzehntelanger Klavier-Erfahrung nicht trivial zu sein, zwischen Jazz und Klassik zu variieren.

Unterschiedliche Abläufe im Gehirn

Pianist Daniil Trifonov bei Klassik am Odeonsplatz | Bildquelle: © Goran Nitschke Daniil Trifonov | Bildquelle: © Goran Nitschke Beim Klassikpianisten steht das einfühlsame Interpretieren im Vordergrund. Neben technischer Perfektion konzentrieren sie sich besonders darauf, "wie" sie ein Stück spielen. Für sie gehe es darum, es technisch einwandfrei und persönlich ausdrucksstark wiederzugeben. "Dadurch scheinen sich unterschiedliche Abläufe im Gehirn etabliert zu haben, die während des Klavierspielens ablaufen und den Wechsel in einen anderen Musikstil erschweren", so die Neurowissenschaftlerin Daniela Sammler.

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Klassik Plus
Donnerstag, 25. Januar, ab 19:05 Uhr

"Musik und Gehirn - Musikergehirn"

Was hat Singen mit Selbstwahrnehmung zu tun? Warum haben durchschnittlich mehr Chinesen als Europäer das absolute Gehör? Warum sind Bachs "Goldberg-Variationen" therapeutische Musik? Antworten auf diese und ähnliche Fragen sucht und findet seit Jahren der Neurologe Prof. Altenmüller von der Universität Hannover, der sich nicht nur mit dem menschlichen Gehirn an sich auseinandersetzt, sondern es speziell auf seine musische Seite hin untersucht. Was Musik mit uns macht, warum sie uns krank und gesund machen kann, darum geht es in der KlassikPlus-Stunde mit Eckart Altenmüller als Studiogast.

Jazzpianisten sind unter anderem darin gefordert, eine Melodie einfallsreich zu variieren. Sie fokussieren sich vor allem auf das "Was" und sind darauf vorbereitet, zu improvisieren und ihr Spiel flexibel an überraschende Harmonien anzupassen. "Tatsächlich konnten wir die bei Jazzpianisten trainierte Flexibilität beim Planen von Harmonien während des Klavierspiels auch im Gehirn sehen", erklärt Roberta Bianco, Erstautorin der Studie. "Als wir sie während einer logischen Abfolge von Akkorden plötzlich einen harmonisch unerwarteten Akkord spielen ließen, begann ihr Gehirn viel früher, die Handlung umzuplanen als das Gehirn klassischer Pianisten.

Anhand dieser Tests haben wir gesehen, wie fein justiert sich das Gehirn auf die Anforderungen seiner Umwelt einstellt.
Daniela Sammler

Entsprechend schneller können Jazzpianisten in der Regel auf eine unerwartete musikalische Situation reagieren und ihr Klavierspiel fortsetzen. Wenn es aber darum geht, ungewöhnliche Fingersätze zu nutzen, hatten in der Leipziger Studie die klassischen Pianisten die Nase vorn.

Untersucht wurden diese Zusammenhänge mit Hilfe von 30 professionellen Pianisten. Sie bekamen auf einem Bildschirm eine Hand zu sehen, die eine Abfolge von Akkorden auf einem Klavier spielte, gespickt mit gezielten Stolperfallen in Harmonien und Fingersätzen. Die Pianisten sollten es dieser Abbildung nachtun, während ihre Hirnsignale erfasst wurden. "Anhand dieser Tests haben wir gesehen, wie fein justiert sich das Gehirn auf die Anforderungen seiner Umwelt einstellt", so Sammler.

Sendung: "Leporello" am 18. Januar 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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