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Götz Alsmann im Interview Mit Gefühl und Haartolle

Was fasziniert die Menschen am deutschen Schlager der 50er und 60er Jahre? Dieser Frage geht der König des Jazzschlagers Götz Alsmann – derzeit auf Tournee mit der SWR Big Band – im Interview nach. Außerdem verrät er, was für ihn einen richtig guten Schlager ausmacht und wieviel Kitsch sein darf.

Moderator und Musiker Götz Alsmann | Bildquelle: Jerome Bonnet

Bildquelle: Jerome Bonnet

BR-KLASSIK: Götz Alsmann, Sie sind, wenn ich richtig recherchiert habe, Ende der 50er Jahre geboren – Sie haben mir also ein paar Jahre voraus, aber ich muss auch sagen: Ich bin sehr empfänglich für die Schlagermusik der 50er und 60er Jahre. Woran mag das liegen, dass wir da so drauf abfahren?

Götz Alsmann: Das kann sehr viele unterschiedliche Gründe haben. Es kann bei etwas älteren Mitbürgern der Fall sein, dass sie sich natürlich an eigene Jugend-Erfahrungen erinnern: an das alte Radio in der Küche, an das erste Transistorradio, das man nachts heimlich unterm Kopfkissen angemacht hat. Aber ich glaube, dass vielen Schlagerkompositionen der alten und ganz alten Zeit eine gewisse Zeitlosigkeit anhaftet. Dass sie gemacht sind, komponiert sind, oft getextet sind von gut ausgebildeten Musikern, von geschulten Textern, von Leuten, die im Kabarett und im Theater zu Hause waren. Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte ja ein bisschen geändert. Irgendwann waren ja viele, die Schlager produziert, komponiert und getextet haben, eigentlich Leute, die in die Musik eingestiegen sind, weil sie die neuen Rolling Stones werden wollten. Dann irgendwann einen gewissen Frust erfahren haben, dass das nicht geklappt hat. Und dann haben sie halt mit ihrem teilweise doch eher überschaubaren musikalischen Haushalt Schlager geschrieben. Ganz anders aber die Generationen davor: Theo Mackeben, Peter Kreuder – das waren Schlager-Komponisten, die einfach ein ganz anderes Kaliber darstellten.

BR-KLASSIK: Der deutsche Schlager scheint heute absolut dominiert zu sein vom Rhythmus. Wenn man die Schlagermusik der 50er und 60er Jahre dagegen hört, da geht es doch eher um die Melodie. Warum sind wir heute so rhythmus-fixiert?

Götz Alsmann moderiert "Sounds of Cinema" 2014 | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Götz Alsmann moderiert "Sounds of Cinema" 2014 | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Götz Alsmann: Vielleicht liegt es daran, dass der Schlager per se kein musikalischer Gattungsbegriff ist. Das ist ja eigentlich nur ein Wort dafür, dass Unterhaltungsmusik in deutscher Sprache interpretiert wird. Da hat sich der Schlager doch immer wieder der aktuellsten Strömungen bedient und vor etlichen Jahren sind Techno und dergleichen irgendwie in den Schlager eingesickert. Und Sie haben recht: Es ist nicht nur der Rhythmus, der definiert. Es ist ein einziger Rhythmus, der definiert. Es ist wirklich der Feiermarsch, der Klatsch-Marsch, modern interpretiert. Die ganzen alten Schlagerströmungen, das chanson-hafte, die Rhythmen aus Tango und Swing und Bossa Nova, die sind natürlich alle momentan eher in einer Warteschleife und warten darauf, wieder wach geküsst zu werden.

BR-KLASSIK: Ist das vielleicht auch ein deutsches Phänomen? Denn wenn man z.B. die Unterhaltungsmusik in Italien anschaut, beim alljährlichen Song-Festival in Sanremo – drei Tage im Jahr und das Land ist im Ausnahmezustand – da gibt's doch wesentlich mehr Melodien.

Götz Alsmann: Ja, das hängt natürlich auch damit zusammen, dass in Ländern wie Frankreich oder Italien – und das sind ja die beiden Länder, die einem immer zuerst einfallen – der Bezug zur eigenen Musikgeschichte ein völlig anderer ist, auch zur eigenen Schlager-Musikgeschichte. Einige große Interpreten, die in den 50er und 60er Jahren Millionen Platten verkauft haben, haben es bei uns nicht geschafft, ihren Namen heute noch präsent zu halten, haben es nicht geschafft, dass sie überhaupt im Radio gespielt werden, dass sie gelegentlich mal im Fernsehen auftauchen, dass man ihrer Geburtstage gedenkt in den Feuilletons. Das wäre in Frankreich oder Italien undenkbar.

Für mich ist ein guter Schlager ein Lied, das gut komponiert ist, das eine überraschende Melodie hat – ein Lied, das heute zu singen Spaß macht.
Götz Alsmann

BR-KLASSIK: Sie haben ja schon viele Schlager aus der Versenkung wieder zurückgeholt. Was ist denn für Sie ein richtig guter Schlager?

Götz Alsmann: Da gehe ich jedenfalls nicht nach dem Wortsinn, ursprünglich wurde das Wort "Schlager" ja kreiert, um einen Verkaufsschlager zu beschreiben. Das Wort taucht, wenn ich richtig informiert bin, erstmalig im Zusammenhang mit den Rekord-brechenden Notendruck-Verkäufen von Johann Strauß Sohns "An der schönen blauen Donau" auf. Für mich ist ein guter Schlager ein Lied, das gut komponiert ist, das eine überraschende Melodie hat, das ein paar gute textliche Pointen hat – ein Lied, das heute zu singen Spaß macht. Wir hören einfach unverwechselbare, populäre, durchaus mitunter volkstümliche, auch gern kabarettistische Unterhaltungsmusik für jedermann.

BR-KLASSIK: Und wie viel Kitsch verträgt ein guter Schlager?

Götz Alsmann: Sehr viel! Sehr, sehr viel. Aber wir sollten Kitsch nicht mit Sentiment verwechseln, das wird ja oft in einen Topf gerührt. Gerade die von vielen als sehr, sehr sülzig empfundenen Kompositionen lassen sich durchaus auch schlackenfrei präsentieren. Eine sehr sentimentale Nummer können Sie ertränken in einem Zuckerguss aus musikalischem Sirup, Sie können sie aber auch spröde und durchaus auch anrührend präsentieren.

Wir sollten Kitsch nicht mit Sentiment verwechseln.
Götz Alsmann

BR-KLASSIK: Götz Alsmann, Sie treten auf mit der SWR Big Band. Wie laufen denn diese Konzerte ab? Sitzt man da wirklich in Konzertbestuhlung?

Der Entertainer Götz Alsmann 2018 in Dresden | Bildquelle: picture alliance/Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa Götz Alsmann 2018 in Dresden | Bildquelle: picture alliance/Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa Götz Alsmann: Ja. Auch wenn ich mit meiner eigenen Band unterwegs bin, spielen wir ausschließlich bestuhlt. Was wir jetzt machen auf dieser zweiwöchigen Tournee mit der SWR Big Band, ist ein klassischer bunter Abend. Es ist noch eine weitere Sängerin dabei, bei den meisten Konzerten ist es in diesem Jahr Ella Endlich, bei einigen Konzerten ist es Fola Dada, und dann gibt es die SWR Big Band, die auch eigene Stücke spielt. Ich werde den ganzen Abend moderieren und eben auch zwischendurch meinen Anteil an Schlagern singen. Das sind zum größten Teil sehr alte Stücke.

BR-KLASSIK: Und was ist die skurrilste oder vielleicht auch die liebste Liedzeile in dem Programm, das Sie in Fürstenfeldbruck gemeinsam mit der SWR Big Band aufführen werden?

Götz Alsmann: Ich glaube, dass das Fragen sind, die man jede Stunde neu stellen kann und die immer eine andere Antwort zeitigen. Aber ich eröffne immer mit einem eigenen Lied, das mir gut gefällt. Das heißt "Wenn ich in Stimmung bin", und in Stimmung bin ich die ganze Zeit. Ich glaube, das gibt einiges wieder von dem, was da passiert.

Götz Alsmann und die SWR Big Band

15. Januar 2019
Stadtsaal Fürstenfeldbruck

Sendung: "Leporello" am 14. Januar 2019 ab 16:05 auf BR-KLASSIK

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