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Krim-Krise und klassische Musik Russische Künstler unterstützen Putin

Die russische Besetzung der Krim sorgt weltweit für Aufregung und Proteste - auch in der Klassik-Szene. Denn viele russische Künstler stehen hinter Putin, so wie der Dirigent Valery Gergiev. Sie haben einen entsprechenden Brief unterzeichnet. Das hat zum Teil gravierende Folgen für ihren Beruf.

stilisierte Landkarte der Ukraine mit Fragezeichen vor durchgestrichenen Instrumenten | Bildquelle: BR

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Rund 300 russische Künstler und Kulturschaffende sollen den öffentlichen Brief unterzeichnet haben, in dem sie die Haltung Wladimir Putins und die russische Politik zur Krim-Krise unterstützen. So steht es auf der Internetseite des russischen Kulturministeriums, wo die Unterschriftenliste am 12. März 2014 erstmals veröffentlicht wurde. Kurz darauf erschien sie auch in der Putin-nahen Zeitung Iswestija.

In den Tagen, in denen sich das Schicksal der Krim und unserer Landsleute entscheidet, können die Kulturschaffenden Russlands nicht gleichgültige, kaltherzige Beobachter sein. Wir erklären felsenfest, dass wir die Position des Präsidenten der russischen Föderation zur Ukraine und der Krim unterstützen.
Auszug aus dem Brief, den russische Künstler unterzeichneten, die Putins Krimpolitik unterstützen

Umstrittener Dirigent Valery Gergiev

Der Dirigent Valery Gergiev | Bildquelle: picture alliance/Roman Pimenov/TASS/dpa Bildquelle: picture alliance/Roman Pimenov/TASS/dpa Wie die Unterschriftensammlung zustande kam, ist nicht geklärt. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der Pianist Denis Matsuev und der Dirigent Valery Gergiev. Letzterer soll ab 2015 Chefdirigent der Münchner Philharmoniker werden. Die Putin-Treue des Dirigenten ist bereits seit längerem bekannt. Schon 2008 hat sich Gergiev bei der Besetzung Südossetiens für Putin ausgesprochen, 2012 spielte er als Wahlhelfer Putins in Fernsehclips mit. Zuletzt sorgte der russische Dirigent wegen seiner Äußerungen rund um das umstrittene Anti-Homosexuellen-Gesetz in Russland für Schlagzeilen.
Mit der Unterzeichnung des Briefes erklärt Gergiev nun, auch in der Krim-Krise voll hinter seinem Präsidenten zu stehen. Dabei hat er seine Unterschrift bislang weder bestätigt noch dementiert. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Argumenty i fakty" sprach er sich aber eindeutig für Putins Politik auf der Krim aus und betonte, die Russen und Russischsprachigen dort hätten das Recht auf Selbstbestimmung.

Berufsverbot und Konzertabsagen

Denis Matsuev | Bildquelle: Sony Music Entertainment Der Pianist Denis Matsuev darf nach der Brief-Unterzeichnung nicht mehr in Kiew auftreten. | Bildquelle: Sony Music Entertainment Der Bratschist Yuri Bashmet bekam die Folgen seiner Unterschrift sofort zu spüren. Das Konservatorium im ukrainischen Lviv sprach ihm kurzerhand die Ehrenprofessur wieder ab, die der Musiker vor zwei Jahren erhalten hatte. Und der Pianist Denis Matsuev darf vorerst nicht mehr in der Nationaloper in Kiew spielen. Sein geplantes Konzert am 27. März wurde annulliert.

Auch außerhalb der Ukraine schlagen die Wellen im Kulturbetrieb hoch. In London geben Konzertbesucher des London Symphony Orchestra ihre Karten für das Ende März geplante Konzert mit Gergiev und Matsuev zurück.

Unter den derzeitigen politischen Umständen können wir unmöglich dem Konzert von Valery Gergiev und Denis Matsuev beiwohnen.
Kommentar von Konzertbesuchern auf der Facebook-Seite des London Symphony Orchestras

Gergiev für München noch tragbar?

In München stellt sich nun die Frage, ob Gergiev als zukünftiger Chef der Münchner Philharmoniker noch tragbar sei. 2015 soll er sein Amt antreten. Bei der Entscheidung vor einem Jahr waren noch 99 Prozent des Stadtrats für Gergiev. Inzwischen hat sich die Stimmung im Rathaus gewandelt. Wer die völkerrechtswidrige Politik Putins unterstütze, könne in München nicht Dirigent werden, meint Florian Roth, Fraktionsvorsitzender der Grünen.

Herr Gergiev wäre hier nicht nur ein Künstler, sondern als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker auch Repräsentant der Stadt. Da muss man schon vorsichtig sein mit politischen Äußerungen.
Florian Roth, Fraktionsvorsitzender der Grünen

Recht auf freie Meinungsäußerung?

Tatjana Lukina, Präsidentin des Deutsch-Russischen Kulturvereins MIR, kann die Diskussion um Gergiev hingegen nicht nachvollziehen. Der Dirigent habe lediglich seine Meinung geäußert, das stehe ihm als Musiker zu.

Es ist schön, dass ein Russe die Politik in dieser Frage unterstützt. Und München ist multikulturell. Gergiev hat niemandem wehgetan. Er ist ein genialer Künstler und München gewinnt dadurch, dass sie ihn haben. Und ich finde es nicht richtig, was gemacht wird.
Tatjana Lukina, Präsidentin des Deutsch-Russischen Kulturvereins MIR

Ukrainer in München wehren sich

Diskutiert wird auch in der ukrainischen Gemeinde Münchens. Kiew und München seien immerhin Partnerstädte, das mache die Lage besonders heikel, so Andrij Dovhániuk, Kanzler der ukrainischen Freien Universität München. Sollte Gergiev tatsächlich Chef der Münchner Philharmoniker werden, werde die ukrainische Bevölkerung der Stadt das nicht ruhig mit ansehen.

Es wird Proteste gegen Herrn Gergiev geben. Und wenn er weiter als Chefdirigent in seinem Amt bleibt, dann werden wir das als eine Beleidigung der ukrainischen Gemeinde in München sehen.
Andrij Dovhániuk

In den kommenden Tagen werde es von Seiten der ukrainischen Gemeinde eine Petition an die Stadt geben, so Dovhániuk. Und auch der Stadtrat will jetzt das Kulturreferat um ein Gespräch bitten. Ein Termin steht allerdings noch nicht fest.

"Kein Anlass" für Vertragsauslösung

Valery Gergiev | Bildquelle: Alexander Shapunov Bildquelle: Alexander Shapunov Kulturreferent Hans-Georg Küppers bleibt zurückhaltend, er wolle die persönlichen politischen Ansichten Gergievs derzeit nicht kommentieren. Die gleichen Worte auch beim Intendanten der Münchner Philharmoniker, Paul Müller. Er äußerte sich nur schriftlich: Bislang bestehe kein Anlass, Valery Gergiev als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker zu problematisieren. Lange werden sich die Münchner Philharmoniker allerdings nicht mehr aus der Diskussion um ihren zukünftigen Chef heraushalten können.

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