"Wir spielen ausschließlich für ein Publikum Theater, nicht für uns selbst", sagt Josef Ernst Köpplinger, seit der Spielzeit 2012/2013 Staatsintendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München. Anlässlich der Wiedereröffnung am 14. Oktober spricht er über das Erfolgsrezept des Hauses, die Ergebnisse der Renovierung und den Rückhalt, den er bei der Nachbarschaft erlebt.
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BR-KLASSIK: Herr Köpplinger - fünf Jahre lang 72 Prozent Auslastungszuwachs, fünf Jahre lang kein einziger Flop. Wie ist das zu erklären?
Josef E. Köpplinger: Ich glaube mit Geschmack. Was ist in der Kunst messbar? Es ist das Handwerk messbar, es ist die Leistung messbar. Und die kann jemand messen, der beruflich damit zu tun hat: das Feuilleton, die Kritikerinnen und Kritiker, die uns großartig unterstützt haben. Nicht nur, dass sie immer oder meistens gut geschrieben haben, sondern einfach für uns da waren und verstanden haben. Aber die Kunst selbst ist nicht messbar, sie ist Geschmackssache. Und ich glaube, es macht auch die Mischung aus. Als Münchner Volksopernhaus haben wir die Bandbreite, die nur wenige Theater weltweit oder in Europa haben: Ich beginne bewusst beim Tanz, über das Singspiel, das Musical, die Operette, die klassische Operette, die Spieloper bis hin zu Uraufführungen zeitgenössischer Musik und natürlich auch die große italienische und französische Oper.
BR-KLASSIK: Was hat denn das Nomadentum für Vorteile?
Josef E. Köpplinger: Vordergründig erst einmal gar keine, weil man da mittendrinnen ist und diverse - auch verschobene - Einzugstermine damit zu füllen hat, dass bereits geplante Saisonen neu disponiert werden müssen. Und jeder, der ein bisschen was vom Theater versteht, weiß, was das bedeutet, wenn man nicht den Plan A, B, C oder D realisiert, sondern Plan Q, P oder irgendwas in der Richtung. Der Vorteil ist natürlich, dass man andere Publikumsschichten erreicht - auch vor Ort: von Reithalle über Zirkus Krone, Prinzregententheater, Cuvilléstheater, Alte Kongresshalle, um nur einige zu nennen. Da gehen auch andere Leute hin. Manche kamen nicht, das muss man auch realistisch sehen. Trotz der hohen Auslastung - so immer um die 90 Prozent und darüber - und des Abozuwachses - mittlerweile sind es ja schon über 80 Prozent -, ist eine Neugierde seitens des Publikums notwendig. Ohne das wären wir einfach nutz- und sinnlos, denn wir spielen ausschließlich für ein Publikum Theater, nicht für uns selbst.
Ein Theater schmeckt nach etwas - und wir schmecken natürlich sehr bunt.
BR-KLASSIK: Sie sind seit zwei Wochen wieder im alten, nun restaurierten Haus. Was wird denn der Gast bemerken? Was ist neu nach dem Umbau am Gärtnerplatztheater?
Josef E. Köpplinger: Der Zuschauerraum per se hat natürlich eine neue Bestuhlung sowie eine neue Beschilderung bekommen. Aber Gott sei Dank ist er historisch geblieben. Ansonsten Aufzüge, die unser Publikum bis in den vierten Stock bringen, und vor allem einen neuen Wagner-Vorhang. Weitere Details können am Tag der offenen Tür besichtigt werden - man muss ja die Spannung erhöhen.
BR-KLASSIK: Aber die meisten Änderungen betreffen tatsächlich die Mitarbeiter. Sie haben ja quasi hinter der Bühne einiges neu gemacht und verändert.
Bildquelle: © Christian POGO Zach Josef E. Köpplinger: Als ich herkam und dann die bis zu 16 Meter tiefe Baugrube sah, war klar, dass es viel Arbeit werden würde. Und jetzt haben wir drei Probebühnen im Haus, zuvor hatten wir ja nur eine kleine. Außerdem haben wir nun zusätzlich noch den Ballettsaal sowie einen tollen Orchesterprobenraum unterm Dach, in dem man ebenfalls Veranstaltungen machen kann. Wir haben auch die Werkstätten und alles, was man für einen zeitgenössisch technischen Bedarf benötigt, bekommen. Denn ein Theater altert vom technischen Aufwand sehr schnell. Kaum ist man mit den Umbauten fertig, fängt man schon wieder mit den ersten Revisionsarbeiten an. Das ist wie bei jedem Gebäude, es braucht eine Sanierung von der Baustruktur, nicht vom Inhalt. Seit meinem ersten Besuch hier Ender der 80er Jahre prägt mich das Theater. Man atmet dieses Theater, beim Verlassen nimmt man noch den Geruch mit. Ein Theater schmeckt nach etwas - und wir schmecken natürlich sehr bunt, weil wir so viele Genres unter einem Dach vereinen.
Die Anwohner haben uns Mut gemacht.
BR-KLASSIK: Haben Sie denn am Gärtnerplatz noch Freunde nach diesem Umbau? Es ist ja doch ein sehr bebautes Wohnareal.
Josef E. Köpplinger: Witzigerweise habe ich persönlich überhaupt keine negativen persönlichen Ansprachen bekommen. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, weil wir noch nicht so lange da sind. Wir haben es gemerkt beim Open Air, wie toll uns die Geschäftsleute und auch die Anwohner unterstützt haben, wie sie uns begrüßt haben und wie sie ihr Theater auch lieben. Ganz realistisch gesagt und gesehen: Da wäre ich ziemlich naiv, wenn ich glauben würde, dass uns alle mögen. Wir sind nicht auf der Welt, um von allen gemocht zu werden. Aber Respekt, das erwarte ich mir. Den gebe ich ja auch den Menschen und der fand immer statt. Ich habe keine Begehrlichkeiten erlebt, ganz im Gegenteil. Die Anwohner haben uns Mut gemacht, wir sollen noch durchhalten. Der Mensch baut und es ist in diesem Fall so nötig gewesen. Man hätte das Theater sonst über kurz oder lang schließen müssen.
Die Fragen stellte Falk Häfner für BR-KLASSIK.
Sendung: "Meine Musik" am 14. Oktober 2017, ab 11.05 Uhr auf BR-KLASSIK