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Kommentar zur Kultur nach dem Lockdown Runter vom Sofa!

Lang genug haben wir es uns in Jogginghose und Schlabber-T-Shirt vor dem Bildschirm bequem gemacht – doch jetzt gilt: Runter vom Sofa! Wir dürfen wieder ins Theater, in die Oper, ins Konzert, wir dürfen wieder live und analog dabei sein. Trotzdem: Die Karten-Verkäufe laufen schleppend. Zur Wiedereröffnung des Kulturlebens plädiert Opernkritiker Peter Jungblut dafür, sich endlich wieder in Schale zu werfen und Tickets zu kaufen – ein Kommentar.

Salzburger Festspiele 2020 Sitzkonzept Corona, Premiere "Così fan tutte" | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Da sind wir alle doch wohl etwas tiefer ins Sofa eingesunken als gedacht: Bei manchen schaut nur noch die Fernbedienung aus den Polstern. Kein Wunder, dass der Vorverkauf für Konzerte, Opern, Theater und Kinos derzeit so schleppend verläuft. Die einen haben wahrscheinlich nichts anzuziehen und die anderen scheuen den Weg zur Reinigung, wie auch immer: Kultur kostet Überwindung, und die lässt sich leider nicht bequem abbuchen. Also setzen viele auf Abwarten. Dazu wurden wir ja in der Pandemie offiziell aufgefordert.

Wie in Iwan Gontscharows Roman ‘Oblomow’: Da steht der Titelheld nur noch zum Jammern auf.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wann alles vorbei ist und ob es sinnvoller ist, nach dem genauen Zeitpunkt zu fragen oder danach, was übrigbleibt, wenn wirklich alles weg ist, sogar unsere Bedenken. Vermutlich der Fernseher. Und so sättigen wir uns mit Pixeln und merken gar nicht, wie hochauflösend unser Leben derweil geworden ist. Wenn es so weitergeht, ist es bald so sehr mit Alltag verdünnt, dass es die Homöopathen verschreiben können, allerdings nicht gegen Langeweile. Und was passiert, wenn erst mal der Mittagsschlaf die einzige kulturelle Anstrengung ist, wissen wir ja zur Genüge aus Iwan Gontscharows Roman "Oblomow": Da steht der Titelheld nur noch zum Jammern auf. Und solange können die Opernhäuser gar nicht renoviert werden, bis das aufhört.

Abenteuer Oper statt Netflix-Abo

Immerhin, die Wirtschaft läuft ja wieder, wenn auch oft von zuhause aus, wohin sich ja fast alles liefern lässt, außer vielleicht Erlebnisse. Die Folgen hat der große Schriftsteller Herman Melville vorausgesehen: Sein Anwaltsgehilfe Bartleby lehnt alles ab außer Kopieren und beschränkt sich schließlich nur noch aufs Atmen. Immer noch besser als husten, wird sich der eine oder die andere Konzertbesucher denken, aber die Veranstalter sehen es wohl anders, und die Künstlerinnen und Künstler sowieso. Und wenn Ihnen der Gedanke, mal wieder rauszugehen und Karten zu kaufen abenteuerlich vorkommt: Umso besser, dann können Sie dafür eine Netflix-Serie weglassen. Ist übrigens auch gut für die Durchblutung, sagen die Ärzte. Und wenn Sie dann in der Oper sitzen und der Vorhang hochgeht, fällt ihr Blick garantiert auf etwas, was Sie lange vermisst haben: Probleme, die sich gut anhören.

Sendung: "Allegro" am 1. Oktober 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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