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Kommentar - Streit um den ECHO Schafft sie ab, die "Akademie"

Mit ihrem ECHO an die beiden Rapper Farid Bang und Kollegah hat sich die Deutsche Phono-Akademie zu Kumpanen von deren intolerablem Gedankengut gemacht. Auch diese "Akademie" mitsamt ihren "Preisen" ist damit intolerabel geworden. Ein Kommentar von Laszlo Molnar.

Die Rapper Kollegah (r) und Farid Bang singen bei der 27. Verleihung des Deutschen Musikpreises Echo.  | Bildquelle: picture alliance / Jörg Carstensen/dpa

Bildquelle: picture alliance / Jörg Carstensen/dpa

Zum ECHO-Preis als einem wert- und nutzlosen habe ich mich an dieser Stelle schon geäußert. Da mein Betätigungsfeld bei der klassischen Musik liegt, habe ich mich um das Kerngeschäft des ECHO, der von der Deutschen Phono-Akademie verliehen wird, nicht gekümmert: die Pop-Musik. Nun werde nicht nur ich, nun werden wir alle dazu gezwungen, uns mit dem ECHO der Pop-Musik zu befassen. Den Rappern Kollegah und Farid Bang sei Dank. Ich habe es bisher bei der leidenschaftlichen Ablehnung des ECHO-KLASSIK belassen. Nun muss ich mich damit beschäftigen, was dieser Skandal eigentlich bedeutet, den die Auszeichnung zweier Musiker, die in ihren Songs eine Gewalt verherrlichende, Minderheiten und Schwächere verachtende Haltung ausbreiten – zum Glück! –ausgelöst hat.

Nur die Masse zählt

Zunächst haben diese Vorgänge mich darin bestätigt, dass der ECHO kein Preis ist, der von der inhaltlichen oder künstlerischen Seite auch nur irgendwie ernst oder gar als Maßstab genommen werden kann. Wer diesen Preis bekommt - der höchst erfolgreich und widerspruchslos als Deutschlands wichtigster Musikpreis vermarktet wird - der hat zur Kunst- und Kreativitätsszene nichts weiteres beigetragen, als die meisten Tonträger oder Downloads verkauft zu haben. Punkt. Nur die Masse zählt.

Künstler wie Farid Bang und Kollegah fordern in ihren Songs die Macht der 'Starken'.

Battle Rap für die Macht des Starken

Neulich las ich im Zusammenhang mit dem immer stärker um sich greifenden Trend, autokratisch auftretende Politiker zu wählen, den Satz, Demokratie sei nicht einfach das Recht der Mehrheit, zu regieren. Sie sei eine Staatsform, in der die Rechte der Minderheiten gegen ein Diktat einer Mehrheit geschützt werden. Künstler wie die beiden Rapper oder wie die Gruppe "Frei.wild" - die 2013 vom ECHO ausgeschlossen wurde und den Preis dann 2016 doch bekam – wollen genau diesen Schutz nicht. Sie fordern in ihren Songs das Recht, die Macht der "Starken". Diese Macht des Starken rücksichtslos einzufordern und geltend zu machen, scheint zum Wesen des von Bang und Kollegah vertretenen "Battle Rap" zu gehören. Zum Wesen der Demokratie gehört es, solche Ansichten gewähren zu lassen, solange Verfassung und Gesetze das als Freiheit der Meinung decken.

Jenseits von Kunstfreiheit

Kollegah (r) und Farid Bang erhalten den Echo für das Album des Jahres  | Bildquelle: dpa-Bildfunk / Jörg Carstensen Die Rapper Kollegah (r) und Farid Bang erhalten den Echo für das Album des Jahres. | Bildquelle: dpa-Bildfunk / Jörg Carstensen Aber dass solche Leute dafür noch einen Preis bekommen, der sich als einer der "wichtigsten" im Land bezeichnet, das finde ich kein Zeichen von Demokratie mehr. Das ist für mich ein Zeichen von Verachtung der Gesellschaftsordnung. Und besonders, weil sie seitens der Veranstalter dieser unwürdigen ECHO-Verleihungen "nur" stillschweigend, wegduckend, wegschauend, also: feige unterstützt wird. Denn derartige Sachen zu verbreiten, das bewegt sich jenseits der Freiheit der Kunst. Das ist ein politisches Statement, ist die Demonstration eines bestimmten Willens zur Macht. Und zwar zu einer einseitigen, selbstgesetzten, rücksichtslosen Macht.

Rohe Texte durchzuwinken, das gehört bei der "Akademie" des ECHO zur Tradition: "Rammstein", "Frei.Wild." – was da "Akademie" sein soll, das ist mir jetzt weniger verständlich als je zuvor. Dadurch, dass dieser Verein solche Haltung, solchen Willen prämiert, tut er kund, dass er das gut heißt, ja, unterstützt. Er offenbart sich, ob gewollt oder nicht, als Kumpan seiner Preisträger. Diese "Akademie" heißt das also gut, brutale Gewalt, Hetze, Diskriminierung von Frauen und Minderheiten, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus. Verortet das als "normal" in der Mitte unserer Gesellschaft. Wollen wir eine solche "Akademie"? Ich nicht.

Opportunistischer, selbstgefälliger Verein

In seinem Kommentar in der Tageszeitung "Die Welt" schrieb Thomas Schreiber, ARD-Koordinator für Unterhaltung: "Der ECHO muss weg". Ganz meine Meinung. Und noch mehr: Die Deutsche Phono-Akademie muss weg, dieser opportunistische, selbstgefällige Verein von Musikabsatzoptimierern, denen es egal ist, ob ihr Wirken der Kunst dient, ob unser Staat in die Luft fliegt. Hauptsache, die Verkaufszahlen stimmen. Wie ich schon an dieser Stelle zuvor schrieb: Diese "Akademie" ist nur zu vergleichen mit einem Zentralverband der Deutschen Autoindustrie, der schon wieder den VW Golf, am besten als Diesel, als bestes Auto auszeichnet, weil der sich so konkurrenzlos gut verkauft hat. Diese "Akademie" tut nichts anderes, als Kunst und Künstler dem Umsatzgott zum Fraß vorzuwerfen und sie damit als Ware zu demütigen und lächerlich zu machen.

Diese 'Akademie' tut nichts anderes, als Kunst und Künstler dem Umsatzgott zum Fraß vorzuwerfen.

Geistlosigkeit der Akademie

Im Grunde bin ich dankbar für den aktuellen Vorfall und glücklich darüber: Spätestens jetzt fällt die Maske und es tritt für alle klar sichtbar hervor, welcher Geist – oder besser: welche Geistlosigkeit – hinter den Machenschaften dieser "Akademie" wirklich steckt. Dass Klassik-Künstler wie der Pianist Igor Levit, das Notos Quartett oder der Dirigent Enoch zu Guttenberg ihre ECHO-Preise zurückgegeben haben oder das wollen, ist ein Zeichen, dass auch bei Klassik-Künstlern – endlich! –  angekommen ist, um welch wertlosen, jetzt sogar gefährlichen Plunder es sich bei dieser "Auszeichnung" handelt. Nochmal: Dass es Gewalt verherrlichende, rassistische, diskriminatorische, fremdenfeindliche und antisemitische Ansichten in unserer Gesellschaft gibt, ist unvermeidlich. Es ist ein Zeichen und Wesen einer funktionierenden Demokratie, dass sie das verkraftet und damit umzugehen weiß. Aber es ist nicht unvermeidlich, sondern unerträglich und intolerabel, dass eine Vereinigung von vermeintlichen Meinungsführern solche Haltung auszeichnet und in einer öffentlich präsentierten großformatigen Show verherrlicht und zur Verherrlichung darbietet.

Der ECHO und seine "Akademie" gehören abgeschafft.

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