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Kommentar: Zum 90. Geburtstag von Ivan Rebroff Klischee-Russentum und Kosakenkaffee

Am 31. Juli hätte Hans-Rolf Rippert seinen 90. Geburtstag gehabt. Hans wer? In die Geschichte eingegangen ist er als Ivan Rebroff – eine Kunstfigur, wie geschaffen für die Westdeutschen und ihr Bild vom singenden Klischee-Russen mit mächtigem Bart und Pelzmütze. Und aus der Rolle kam Rippert nie mehr raus. Tragisch? BR-KLASSIK-Autor Jochen Eichner hat sich ein paar Gedanken gemacht.

Der deutsche Sänger Ivan Rebroff | Bildquelle: picture-alliance / KPA Copyright; Montage: BR

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Es gibt ihn noch – den Klassiker der 70ger, der damals nach keinem Essen fehlen durfte. 'Komm, Brüderchen, trink!' – das war der Werbeslogan für den Kosakenkaffee, ein Likör mit Kaffee-Geschmack. Damals wurde das Gebräu sogar im Fernsehen beworben, es gehörte in diese Zeit wie autofreie Sonntage, Prilblumen und Badezimmer-Ausstattungen in Bahama-Beige. Und natürlich wie Platten von Ivan Rebroff.

Von Hals-Rolf Rippert zu Ivan Rebroff

Hans-Rolf Rippert, so hieß er bei seiner Geburt. Zu Ivan Rebroff wurde er erst später, als er begann, den gemütlich-seelenvollen Klischee-Russen zu spielen. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Westdeutschland offenbar großen Bedarf für Vertreter eines schwelgerisch-verklärten Russentums, das nicht so bedrohlich daherkam wie die sogenannte 'Gefahr aus dem Osten'.

1. Preis beim ARD-Musikwettbewerb

Und Rippert füllte diese Marktlücke mit viel Talent – schließlich hatte er 1960 sogar den ARD-Musikwettbewerb gewonnen, seine Stimme war geschmeidig, auch in tiefen Lagen, und wenn er aufs Falsett-Register zurückgriff, konnte man ihn fast für eine Sopranistin halten. Klar, Rebroff hat mit seiner Begabung viel Geld verdient, viel Ruhm eingeheimst, viele Platten verkauft. Dafür musste er nur den gemütlichen Retorten-Russen spielen, der so gar nichts hatte von Leonid Breschnew.

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Ivan Rebroff - Wolgalied

Während letzterer in der Tagesschau wütete und Angst und Schrecken im Westen verbreitete, trat ersterer im Anschluss an die Tagesschau bei Kulenkampff auf. Und zeigte den Zuschauern ein Traumbild von Russland, das keine Atomwaffen besaß, dafür aber bärtige Männer, die gefühlvoll, herzlich und lustig waren, vor denen man sich eben nicht fürchten musste. Und dazu gab es im Idealfall ein Gläschen Kosakenkaffee.

Dann fiel die Mauer

Nach dem Fall der Mauer verschwand irgendwann der Kosakenkaffee aus der Fernsehwerbung, und auch die Begeisterung des Publikums für das Pseudo-Russentum eines Ivan Rebroff verebbte. Der Kontakt mit den echten Menschen jenseits des früheren Eisernen Vorhangs machte den Deutschen klar, dass reale Russen nicht unbedingt aussahen wie Ivan Rebroff – und auch nicht ständig sangen.

Verfallsdatum erreicht

Das ist das Problem mit der Kulturindustrie – ihre Produkte unterliegen den Gesetzen des Marktes, haben ein Verfallsdatum. Und irgendwann hatte die Figur des Ivan Rebroff dieses Verfallsdatum erreicht. Zweifelsohne war Hans-Rolf Rippert eine große Begabung. Zu behaupten, er habe sie verschwendet, das steht mir nicht zu. Trotzdem bleibt beim Betrachten seines Lebenswerks zumindest bei mir ein schaler Nachgeschmack, wie von zu viel Kosakenkaffee.

Sendung: "Allegro" am 30. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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