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Kommentar zur Augsburger Theater-Krise Das erste "Blaulicht-Theater" Deutschlands

Das Theater Augsburg ist marode, eine Sanierung dringend nötig. Doch viele Bürger haben Angst vor den Kosten - in Augsburg wird daher seit Wochen gestritten. Vor kurzem wurde bekannt, dass jetzt sogar die sofortige Schließung droht, wegen Mängeln beim Brandschutz. Eine kritische Bestandsaufnahme von Peter Jungblut.

Peter Jungblut | Bildquelle: BR/Philipp Kimmelzwinger

Bildquelle: BR/Philipp Kimmelzwinger

Vorstellungen nur noch mit Feuerwehr

Wenn ein Theater so marode ist, dass die Besucher mit dem Gedanken spielen, nur noch Randplätze zu kaufen, weil sie sich von dort aus schneller in Sicherheit bringen können, bleibt wohl wirklich nur noch Galgenhumor. In Augsburg steht inzwischen bei jeder Vorstellung ein Feuerwehr-Fahrzeug neben dem Haus, aus Brandschutzgründen, wie es heißt. Angeblich könnte jederzeit der Zuschauerraum verqualmen, wenn in der Garderobe Feuer ausbricht. Möglicherweise muss das Haus sofort schließen, Probebohrungen sind derzeit im Gange, eine Entscheidung wird bis Anfang nächster Woche erwartet. Augsburg hat also das erste "Blaulicht-Theater" Deutschlands.

Die Angst vor der Augsburger Elbphilharmonie

Entsprechend niederschmetternd ist die Stimmung unter den Theatermitarbeitern. Sie haben ohnehin allen Grund zum Verzweifeln, ist doch die geplante Renovierung des Gebäudes in Teilen der Augsburger Bevölkerung hoch umstritten. Ein Bürgerentscheid ist auf dem Weg, die Unterschriftensammler sind dagegen, dass sich die Stadt für die Theaterrenovierung weiter verschuldet, obwohl der Freistaat Bayern gut 100 Millionen Euro Fördergelder zugesagt hat. Doch die restlichen rund 80 Millionen Euro lassen manchen Augsburger nicht mehr ruhig schlafen, und es liegt ja auf der Hand, dass die Renovierung viel teurer wird als jetzt noch kalkuliert, alles andere wäre ein Wunder. Die Erfahrungen mit Theatersanierungen sind hierzulande wenig ermutigend: Egal, ob in Berlin, Düsseldorf, Stuttgart, Hamburg oder München - überall gab es Kostenexplosionen, Zeitverzögerungen, Rechtsstreitigkeiten.

Es fehlt der bürgerliche Rückhalt

Dass also so ein Vorhaben ausgerechnet im diskussionsfreudigen Augsburg, der absoluten Hochburg der Bürgerentscheide, widerspruchslos hingenommen wird, konnte niemand erwarten. Dennoch, es ist schon erschütternd, wie kulturvergessen, ja ignorant Teile des Bürgertums geworden sind. In den fünfziger Jahren, nach dem Krieg, war es für jeden Anwalt, Arzt, Ingenieur, Fabrikanten Ehrensache, beim Aufbau der Theater finanziell zu helfen. Heutzutage finden sich in jeder Fußball-VIP-Lounge mehr Entscheidungsträger als auf einer Premierenfeier. Für finanzkräftige Sponsoren sind Theater längst dritte Wahl, weit hinter Sport und Sozialem. Leider gab es auch etliche interne Querelen im Augsburger Theater, die das Image nicht gerade aufgebessert haben. Führungskräfte verließen das Haus im Streit, der Personalrat kritisierte öffentlich Intendantin Juliane Votteler. Der umstrittene frühere Kulturreferent wollte sie nur noch loswerden, der jetzige hat ihren Vertrag nicht verlängert. Mit anderen Worten: Das Theater wirkte kopf- und orientierunglos. Gleichwohl setzte es künstlerische Akzente. Kritiker waren durchaus angetan, Publikum und Politiker weniger.

Ein Armutszeugnis

Ohnehin stellt sich die Frage, was die Stadtgesellschaft überhaupt noch vom Theater erwartet: Etwa, möglichst billig zu sein und ansonsten nicht aufzufallen? Das wäre ein Armutszeugnis! Die Aufregung um Augsburgs Theater ist ein Fanal - in Würzburg, Landshut, Nürnberg stehen ähnliche Renovierungen an, und überall dort geht nichts voran, wird gebremst und gestritten. Düstere Zeiten für die Kultur, aber Kirchen und Klöster werden ja auch abgerissen oder umgewidmet. Den meisten ist es egal, einige halten es sogar für Fortschritt, wenige haben das Gefühl, dass etwas verloren geht.
"Alles, was ist, endet", schrieb Richard Wagner. Aber muss das so schlecht gelaunt und chaotisch wie in Augsburg ablaufen?

Peter Jungblut

...ist Ressortleiter Kultur aktuell des Bayerischen Rundfunks und als Musiktheater-Kritiker in Deutschland und den Nachbarländern unterwegs.

Kommentare (2)

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Donnerstag, 26.Mai, 21:39 Uhr

Johann Rother

Augsburger Theatersanierung

Na, wieder einmal muss der Brandschutz herhalten, dahinter lässt sich gut verstecken und vor sich hinschmoren. Eine echte Schwaben-Posse, aber das Ignorantentum macht sich bei uns ja immer mehr breit, siehe Politik, warum sollte es in der Kulturpolitik anders sein. Es geht auch gar nicht um den bürgerlichen Rückhalt, sondern um die gesamtgesellschaftliche Erkenntnis, wie wichtig lebendiges Theater für unser aller Zusammenleben ist. Wo werden uns denn sonst Probleme in unterschiedlichen Varianten so aufgezeigt, dass sie zum Nachdenken anregen ? Antigone ist heute noch modern, wenn sie entsprechend gespielt wird. Das kann das Fernsehen allemal nicht.
Gegenüber Ausländern sprechen wir von unserem Werteverständnis, selbst aber gehen wir schluderhaft damit um.
Bin gespannt welche Kommunalpolitiker sich mal hinstellen und sich trotz Gegenwind deutlich für den Erhalt des Theaters aussprechen.

Samstag, 21.Mai, 10:40 Uhr

Zeitungsleserin

Augsburger Theater

Ja, endlich hat es mal jemand deutlich ausgesprochen! Vielen Dank, Herr Jungblut. Auch ich finde es erschreckend, dass der "bürgerliche Rückhalt" inzwischen gen Null gesunken ist. Manchmal komme ich mir vor wie ein Fossil, nur weil ich begeisterte Theater- und Operngängerin bin. Das ist heute schon exotisch.
Ich hoffe, dass das Augsburger Theater vollständig renoviert wird und es dort weiterhin viele spannende und sehenswerte Aufführungen geben wird.

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