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Der Pianist András Schiff "Das Leben ist zu kurz für zweitklassige Musik"

Am 19., 20. und 21. Mai spielt András Schiff drei Konzerte gemeinsam mit den Bamberger Symphonikern - in einer Doppelrolle als Solist und Dirigent. Im BR-KLASSIK-Interview spricht der Pianist über die alten und neuen Notizen in seinen Partituren - und die Stille in der Musik.

Pianist András Schiff  | Bildquelle: picture-alliance/ dpa

Bildquelle: picture-alliance/ dpa

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: András Schiff, bei Ihren Konzerten in Bamberg haben Sie eine Doppelrolle: Sie sind Pianist und Dirigent gleichzeitig. Wie verteilen Sie Ihre Aufmerksamkeit?

András Schiff: Das sind zwei Aufgaben, aber so unterschiedlich sind sie nicht. Musik ist Musik.

BR-KLASSIK: Wenn Sie aber spielen und dirigieren, dann sind Ihre beiden Hände notwendigerweise mit dem Klavierspielen beschäftigt. Und trotzdem haben Sie das Orchester im Blick.

András Schiff: Es muss ein sehr gutes Orchester sein - und das ist ja in Bamberg vorhanden. In den Tutti-Stellen kann ich natürlich aufstehen und - wenn es notwendig ist - ordentlich dirigieren. Aber während des Klavierspiels betrachte ich das Ganze als Kammermusik, und da braucht man wirklich nicht zu dirigieren, sondern nur gut aufeinander zu hören.

Ich fange jedes Mal von Null an.
András Schiff

BR-KLASSIK: Als Sie sich für die Konzerte in Bamberg mit den Partituren von Beethoven und Bach beschäftigt haben, hat Ihnen die Tatsache, dass Sie dort auch als Dirigent wirken, etwas Neues gebracht? Einen neuen Blickwinkel vielleicht?

Pianist András Schiff sitzt am Klavier | Bildquelle: © Nadia F. Romanini / ECM Records András Schiff | Bildquelle: © Nadia F. Romanini / ECM Records András Schiff: Es ist für mich immer neu, ich fange jedes Mal von Null an, als ob ich diese Werke noch nie gespielt oder gehört hätte. So bleibt es frisch. Und so staunt man jeden Tag, weil es sich um sehr große Musik handelt. Ich bin da vielleicht ein Snob, aber ich finde, dass das Leben zu kurz ist, um zweitklassige Musik zu machen oder zu hören. Es gibt so viel große Musik. Man bräuchte ja ein ganzes Leben für die Bachkantaten und ein nächstes Leben nur für die Symphonien und Streichquartette von Haydn. Auch wenn man gesund bleibt und lange lebt - es gibt immer Zeit und Raum für weitere Meisterwerke.

BR-KLASSIK: Das würde bedeuten, dass wenn Sie sich erneut mit einer Partitur beschäftigen, dann müssten Sie eine ganz frische Partitur nehmen, ohne alte Notizen?

András Schiff: So ist das nicht, weil diese früheren Ideen ja nicht falsch sind. Ich muss sie nicht korrigieren, aber vielleicht revidieren oder neu durchdenken und durchleuchten. Aber sie sind trotzdem richtig. Nur wenn man das Stück besser kennt und länger damit gelebt hat, versteht man es besser und sieht einen weiteren Horizont.

BR-KLASSIK: Bach, Beethoven und Schumann werden in Bamberg in einer chronologischen Reihenfolge aufgeführt. Was verändert sich beim Hören von Schumann, wenn Beethoven und Bach noch in einem nachklingen?

András Schiff: Bei Schumann ist es ein großes Orchester, da kommen einige Instrumente dazu. Bach ist ja nur mit Streichern besetzt. Bei Beethoven gibt es schon eine Flöte, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Hörner, zwei Trompeten und eine Pauke. Aber bei Schumann kommen noch weitere Instrumente dazu - zum Beispiel die Posaunen - und die Posaunen spielen in der "Rheinischen Symphonie" eine eminente Rolle. Sie schweigen erst drei Sätze lang und dann im Choral - dieser Choral repräsentiert den Kölner Dom -, da hören wir die Posaunen zum ersten Mal. Das ist ein Schockerlebnis für das Publikum, im positiven Sinn.

Schumann ist der Ur-Romantiker und ein Poet
András Schiff

BR-KLASSIK: Anfang des Jahres kam ein Buch von Ihnen heraus mit dem Titel "Musik kommt aus der Stille". Ein sehr schöner Titel, über den man lange nachdenken kann. Wenn Sie an die drei Komponisten in Bamberg denken - wer von ihnen kommt am meisten aus der Stille?

András Schiff: Ich finde ja, alle drei haben das. Bach am ehesten, er ist für mich der größte und der wichtigste unter den Komponisten. Der mittlere Satz in seinem f-Moll-Konzert, das Largo, das ist eine Vorstellung der Ruhe und der Stille, wie ich sie habe. Das C-Dur-Klavierkonzert von Beethoven ist ein jugendliches, frisches Werk, aber es hat auch diesen fantastischen mittleren Satz - wieder ein Largo - das die Ruhe in einer Dimension vorstellt, die ganz neu in der Musik ist. Vor Beethoven hatten wir das nicht. Und Schumann ist der Ur-Romantiker und ein Poet. Selbst in seinen grandiosen Symphonien, wie in der "Rheinischen", gibt es mittlere Sätze, die sehr intim und kammermusikalisch sind, überhaupt nicht symphonisch konzipiert. Und da findet man diese Elemente der Stille.

Das Interview führte Sylvia Schreiber für BR-KLASSIK.

Konzertinfo

19. Mai, 20. Mai, 21. Mai 2017
Bamberg, Konzerthalle, Joseph-Keilberth-Saal

András Schiff,  Klavier
Bamberger Symphoniker

Programm:
Johann Sebastian Bach - Konzert für Klavier, Streicher und Basso continuo Nr. 5 f-Moll BWV 1056
Ludwig van Beethoven - Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15
Robert Schumann - Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 "Rheinische"

Sendung: Leporello am 19. Mai 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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